: Staatsterrorismus vor Madrider Gericht
Nach langer Verschleppung beginnt Prozeß gegen GAL-Organisatoren/ Wer war „X“? ■ Aus Madrid Antje Bauer
Einer der wichtigsten Prozesse im demokratischen Spanien hat am Montag am Nationalen Gerichtshof in Madrid begonnen. Polizeiunterkommissar Jose Amedo Fouce und sein Untergebener, Inspektor Michel Dominguez, werden angeklagt, sich an sechs gescheiterten Attentatsversuchen sowie einem Mord beteiligt zu haben, eine bewaffnete Bande gegründet, Dokumente gefälscht und Sprengstoff besessen zu haben. Drei lange Jahre haben die Ermittlungen für dieses Verfahren gedauert, und die Anklage bezieht sich nur auf drei von insgesamt 30 Anschlägen, die auf das Konto der beiden Angeklagten gehen. Auch die Zahl der Angeklagten ist in dieser Zeit erstaunlich geschrumpft. Der Grund: Jose Amedo und Michel Dominguez waren die Organisatoren der „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ GAL, die bis Mitte der 80er Jahre im französischen Baskenland den „schmutzigen Krieg“ gegen die baskische Untergrundorganisation ETA führten. Der „schmutzige Krieg“ reichte von Entführungen und Morden an Basken bis hin zu willkürlichen Schießereien in von baskischen Nationalisten besuchten Kneipen.
Durch die Anschläge sollte die ETA, die damals aus Frankreich heraus den bewaffneten Kampf gegen den spanischen Staat führte, dezimiert und in Panik versetzt werden. Jose Amedo, der zuerst in Bilbao in der Abteilung Aufklärung der Polizei gearbeitet hatte, wurde 1984 zum Organisator der GAL, nachdem sein Vorgänger, der französische Rechtsradikale Jean-Pierre Cherid, beim Bombenbasteln in die Luft geflogen war. Anfang 1986 wurde er nach Portugal geschickt, angeblich um dort Informationen über Waffenhandel einzuholen. Weder zuvor noch danach hat sich Amedo jedoch mit Waffenhandel beschäftigt. Der Unterkommissar, großzügig mit Geld aus dem „Reptilienfonds“ der spanischen Regierung ausgestattet, heuerte dort Söldner an, die die Anschläge im französischen Baskenland durchführen sollten. Die Anschlagsziele wurden von Amedo bekanntgegeben, die Waffen stammten, nach späteren Aussagen der Söldner, von der spanischen Polizei und mußten nach vollbrachter Tat wieder abgegeben werden.
Die blutigen Anschläge hatten 1983 begonnen und nahmen im Juli 1987 ein plötzliches Ende — die französische Regierung hatte sich entschlossen, ETA-Mitglieder an Spanien auszuliefern. Nur ein einziges Attentat fand danach statt, es kostete den Deserteur Juan Carlos Garcia Goena das Leben — es war ein Protest von Amedo gegen seine Vorgesetzten, die ihn fallengelassen hatten wie ein heißes Eisen.
Als bereits in Frankreich und Portugal Söldner vor Gericht über ihre spanischen Auftraggeber aussagten, hielten sich die spanischen Behörden immer noch mit Ermittlungen zurück. Es waren Anwälte der Zivilklage und zwei Journalisten der Tageszeitung 'Diario 16‘, die sich den beiden Staatsdienern an die Fersen hefteten und ein Versteck der GAL entdeckten, das weitere Enthüllungen über die staatliche Verwicklung in die Morde brachte.
Der mutige Untersuchungsrichter Baltazar Garzon, der die Ermittlungen in dem Verfahren übernahm, hatte ein Hindernisrennen zu überstehen. Innenminister Corcuera verbot auf Weisung des Regierungschefs Felipe Gonzalez den aussagenden Polizeibeamten Äußerungen zur Verwendung der Gelder des Reptilienfonds, er weigerte sich selbst, in der Sache auszusagen und verbot einer Reihe seiner Polizisten, vor dem Richter Aussagen zu machen. Auch über die politisch Verantwortlichen für die Morde der GAL versuchte das Innenministerium den Mantel des Schweigens zu decken. So erstellte der Richter nach Beendigung seiner Ermittlungen ein Organogramm der GAL, das an höchster Stelle ein X führt. Der Anwalt der Nebenklage erklärte zu Prozeßbeginn, er erwarte nicht, daß das X geklärt würde. Ein Großteil der ehemaligen GAL-Söldner, die in Frankreich und Portugal einsitzen, haben erklärt, nicht aussagen zu wollen. Es ist ein Prozeß gegen zwei Sündenböcke. Bis Mitte Juli soll er beendet sein, für September wird das Urteil erwartet.
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