Israel fürchtet um SU-Reisefreiheit

Israelische Behörden in Moskau vorstellig, um weitere Einwanderung sowjetischer Juden zu sichern  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Das neue Reisegesetz der Sowjetunion, das am 1. Januar 1993 in Kraft tritt, bereitet isrealischen Behörden zunehmend Kopfschmerzen, weil sie einen Rückgang jüdischer Einwanderer aus der Sowjetunion befürchten. Uri Gordon, Direktor der für die Rückkehr der Juden nach Israel zuständigen Alijah- und Integrationsabteilung der „Jewish Agency“ erklärte, daß die ursprünglich für 1991 erwartete Anzahl jüdischer Einwanderer aus der Sowjetunion jetzt von 400.000 auf 200.000 herunterkorrigiert werden müsse.

Mit der allgemeinen Ausreiseerlaubnis in der SU werden auch die sowjetischen Juden Pässe bekommen, die ihnen nicht nur die Reisefreiheit in andere Länder, sondern auch die Möglichkeit, in die SU zurückzukehren, sichert. Bislang hatten sowjetische Juden fast nur die Möglichkeit, mit einem Spezialvisum nach Israel auszureisen. Angesichts dieser Perspektiven ist die Zahl der Einwanderer aus der Sowjetunion schon in den letzten Monaten zurückgegangen. Im Mai betrug sie allerdings immer noch 16.000. In den letzten zwei Jahren sind 280.000 Juden aus der SU nach Israel ausgewandert.

In dieser Angelegenheit war der Generaldirektor der „Jewish Agency“, Moshe Nativ, letzte Woche in Moskau vorstellig geworden. Dort, so Nativ, habe man ihm versprochen, daß sowjetische Juden, die bereits ein Visum für Israel in der Hand halten, mit Priorität die neuen Reisepässe erhalten, die bereits ab dem 1. Juli diesen Jahres ausgestellt werden sollen. In Israel wird befürchtet, daß die Aushändigung der Pässe sehr lange dauert und sich die Abreise Tausender sowjetischer Juden nach Israel damit verzögert. Die israelische Bitte, mit der Ausgabe der Reisepässe erst am 1. Januar 1992 zu beginnen, hätten die Sowjets jedoch abgelehnt.

Israel befürchtet zudem, daß die in Zukunft mit sowjetischen Reisepässen ausgestatteten Einwanderer auch die Möglichkeit haben, das Land zu verlassen, wenn sie Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche haben. Vor allem Akademiker und gut qualifzierte Arbeitskräfte haben mittlerweile ernste Probleme, nach dem Verlassen der Integrationszentren und der Hebräisch- Kurse eine Anstellung zu finden.

Unterdessen hat der Bürgerrechts-Abgeordnete Jossi Sadir Bauminister Ariel Scharon beschuldigt, mit „einem Trick“ Neueinwanderer in den besetzten Gebieten anzusiedeln, obwohl die israelische Regierung im Rahmen der Friedensbemühungen im Nahen Osten den USA und der Sowjetunion zugesagt hatte, dieses nicht mehr zu tun. Laut Sarid überführt Scharons Ministerium Fertighäuser in den Besitz von Wohnungsfonds, die diese Unterkünfte an neue Einwanderer auch in den besetzten Gebieten vermieten.