ZUGASTIMBKA

ZARAHOHNEKLEID  ■  TIM FISCHER

Zwei verschiedene Wege gibt es, dem kommenden 10. Todestag der unvergeßlichen Zarah Leander zu gedenken: Die herkömmliche Methode liegt darin, mal wieder ein neues Buch oder eine neue CD auf den Markt zu bringen, eine Film- Retrospektive zu starten oder eine Ausstellung ihrer Kostüme und Kettchen zu organisieren. Eine originellere Variante bietet jedoch Tim Fischer die nächsten beiden Wochen im BKA.

Der gerade erst 18 gewordene, schmächtige Hamburger Knabe ist ein hervorragender Zarah-Interpret. Kaum hatte ihn das Reeperbahn-Theater Schmidt vor gut einem halben Jahr entdeckt, schmiß Tim Fischer die Schule, um mit seiner bzw. ihrer Stimme durch das Land zu ziehen. Nach Berlin holte ihn das BKA, auf deren peinlicher „Perlen für die Säue„-Show er sich als einzige Perle entpuppte. Prompt verpflichtete ihn die Kabarett-Anstalt zum Soloauftritt mit seinem gesamten Programm »Zarah ohne Kleid«.

Tim Fischer präsentiert keine Travestie, keine Federboas, kein Vollplayback, wie man es sonst von billigen Zarah-Kopien kennt. Er tritt immer live auf, total in schwarz und schlicht in Plüschshirt und Flatterhose gekleidet - tiefrot-geschminkte Lippen sind ihm Kostüm genug. Auf der Bühne wirkt er anfangs unscheinbar; hat er sich aber erst einmal eingesungen, blüht er auch auf: Haargenau trifft er die unverwechselbare Gestik und Mimik der Diva, ihre tiefe, voluminöse Stimme. Er singt mit der gleichen Ekstase und rollt ebenso scharf wie sie das R.

Die außergewöhnliche Stimme hat Tim Fischer seiner norwegischen Großmutter zu verdanken, die ihm früher am Küchenherd immer die schwedischen Volkslieder vorsang, die es auch von der Leander auf Schellack gibt. Tim ahmte Oma und Zarah nach, sang einfach drauf los, ohne noch stundenlang trainieren zu müssen. Zarah Leander lag und liegt ihm im Blut.

Dabei begeistert Tim die ZuschauerInnen nicht allein mit der Frage, ob denn Liebe Sünde sein kann und mit dem bekannten Versprechen eines Wunders. Das Nachwuchstalent legt Zarah auch neue Chansons in den Mund; komponiert von Rainer Bielfeldt, der Tim auch am Klavier begleitet und mit Texten von Edith Jeske. Aber auch diese Lieder treffen sehr sensibel Zarah Leanders Stil, vor allem der Titel »Ich bin verrückt nach jedem meiner Pianisten«.

Und doch verrät gerade dieses Chanson den großen Unterschied zwischen Tim und seinem Idol; so leidensreich und unglücklich liebend wie Zarah gibt sich der 18jährige nämlich nicht. Im Gegenteil: Mit seinem Pianisten — einem einzigen bislang — steht Tim Fischer nicht nur auf der Bühne, mit Rainer Bielfeldt lebt er auch frohgemut zusammen (beide bis zum 24.6. jeweils Do-Mo im BKA). Micha Schulze

PREMIERE20.30UHR,MEHRINGDAMM32-34