Von Forschern und Metzgern

■ John Carpenters „The Thing“, 22.15 Uhr, RTLplus

Nach seinem 60.000 Dollar billigen, hausgemachten SF-Debut Dark Star (1974) war es eine Weile still um den 1948 geborenen Liebhaber von Monstern. Doch schon nach der „Rio-Bravo“-Paraphrase Assault (1976) galt John Carpenter als Wunderknabe. Mit kalkulierter Ökonomie der dramaturgischen und produktionstechnischen Mittel erzielte er bei diesem fast ins Mystische gezogenen Überfall auf eine Polizeistation ein Maximum an filmischer Wirkung. Und mit Halloween (1978) definierte der Sohn eines Musiklehrers gleich das Genre des Suspense- Thrillers neu.

Die Klapperschlange (1981) war sein kommerzieller Höhepunkt (aus dem Geister-Mist, den er in The Fog 1980 verbriet, läßt sich einfach kein brillianter Film machen). Davor drehte er noch diese TV-Produktion Das unsichtbare Auge (1978), auf deren Namen nie jemand kommt und die von diesem völlig überschätzen Kieslowski in seinem viel zu langen Film über die Liebe gnadenlos plagiiert wurde.

Danach ging's abwärts. Christine (1983) ist die schlechteste Steven- King-Adaption. Darüber sind sich alle einig. Mit Starman (1985) war die Talsohle erreicht. Jeff Bridges als gutes Alien, das auf die Erde kommt und von den Leuten verfolgt wird. Jugendfrei, auf der ET-Welle, seltsam. Es folgten Big Trouble in little China, Die Fürsten der Dunkelheit und zuletzt Sie leben.

Jeder dieser Streifen hatte seine Momente. Aber man muß sich selbst als Carpenter-Fan genau fragen, ob man das noch gut findet. Es scheint, als hätte der Amerikaner das ökonomisch direkte Prinzip seiner frühen Filme konsequent ins Gegenteil gewendet.

Eine Entwicklung, die mit seinem ersten Film für eine Major-Company, dem 15 Mio. Dollar teuren Ding The Thing (1982), ihren Ausgang nahm.

Als Howard-Hawks-Fan wollte Carp kein simples Remake der 1951er Version von Christian Nyby drehen und hielt sich lieber genau an die zugrundeliegende Kurzgeschichte „Who goes there?“ von John W. Campbell.

Im Packeis der Antarktis tauen Forscher ein eingefrorenes Raumschiff auf. Ein Wesen erwacht damit, dessen unangenehme Eigenschaft es ist, jede organische Form adaptieren zu können und dabei einfach nicht kleinzukriegen ist. Es ist böse und metzelt. Daß, wie Karasek damals schrieb, sich das Innerste des Menschen als blutige Schlachtplatte nach außen kehrt, ist mehr biederes Buhlen um den Sprachwitz-geilen 'Spiegel‘-Leser denn korrekte Beschreibung des Films. The Thing ist kein Splatter-Movie. Und daß die dominierenden Spezialeffekte von Maskenbildner Rob Bottin den Film erschlagen würden, ist auch so eine bornierte Dummheit, an der wie immer die „Spezialisten“ schuld sind.

Sicher, Carpenter schöpft das Potential der situativen Spannung nicht aus, wie das etwa sein Kollege Scott in Alien tat. Dafür hat der Film, auf den zweiten Blick, etwas ungeheuer Entlarvendes.

Auf der Polarstation gibt es keine einzige Frau, also auch nichts „positives“. Die Männer, allsamt abgebrühte Zyniker, machen die Sache unter sich aus. Einer nach dem anderen wird „umgedreht“, plötzlich kennt keiner mehr den anderen: „Verbrenn ihn, wenn er rüberkommt“, lautet eine von vielen mitleidslosen Anweisungen. Aus Forschern werden Metzger, übergangslos. Manfred Riepe