Folter in Kuwait alltäglich?

Palästinenser legen Bericht über brutale Menschenrechtsverletzungen in dem befreiten Emirat vor  ■ Von K. Abied/Z. Mohamed

Amman (taz) — Drei Monate nach Ende des Golfkriegs ist Gewalt gegen die 200.000 Palästinenser, die noch in dem Emirat leben, an der Tagesordnung. Zu dieser Feststellung kommt ein Bericht, den der palästinensische Botschafter in Jordanien, Tayeb Abdel Rahim, vorstellte.

Laut dem Bericht, der auf Augenzeugenberichten beruhen soll, sind unter den insgesamt 9.020 Personen, die in Kuwait seit dem 17. Mai verhaftet wurden, 6.320 Palästinenser, 220 Palästinenser würden seitdem vermißt, 52 seien an den Folgen von Folter gestorben, heißt es. Die Zahl der Gewalttaten gegen Palästinenser sei zwar zurückgegangen, als die Berichterstattung darüber zu internationaler Empörung führte, inzwischen gehören Mißhandlungen und Verschleppungen von Palästinensern jedoch wieder zum kuwaitischen Alltag.

Fünf verschiedene paramilitärische Milizen sollen für regelrechte Folter-, Verschleppungs- und Terrorkampagnen gegen Palästinenser verantwortlich sein. Kuwaitische Menschenrechtsaktivisten berichten sogar von sieben solcher Milizen, vier davon sollen von Angehörigen der Herrscherfamilie geführt werden.

Das größte Folterzentrum in Kuwait ist nach dem Bericht das Militärgefängnis, in dem hauptsächlich Palästinenser festgehalten werden sollen. Dort seien in einer Zelle zehn Personen getötet worden, heißt es in dem Bericht. Der Militärgouverneur von Kuwait, Saad Al Abdallah, soll sich bei einem Besuch des Gefängnisses wegen des unerträglichen Gestanks die Nase zugehalten und den Ort nach wenigen Minuten verlassen haben. Etliche der Inhaftierten seien daraufhin in das sogenannte Jugendgefängnis verlegt worden. Dort seien fünf Häftlinge vor den Augen ihrer Mitgefangenen erschossen worden, weil sie sich gegenüber Vertretern des Roten Kreuzes über Mißhandlungen beschwert hatten.

In dem Bericht werden Foltermethoden beschrieben, die in Kuwait gegen Palästinenser angewandt werden. Kuwaitische Folterknechte sollen auf der Haut der Gefangenen ihre Zigaretten ausdrücken, ihnen mit Scheren Stücke aus dem Fleisch reißen oder ihnen Stücke der Lippen, Nasen oder Ohren abschneiden, die die Gefolterten anschließend zum Teil selbst verzehren müßten. Eine weitere Foltermethode sei das Abziehen der Haut an bestimmten Körperstellen des Opfers und das anschließende Bestreuen der Wunde mit Salz, heißt es in dem Bericht. Weiterhin werden Fälle genannt, in denen dem Opfer „mit einem elektrischen Bohrer der Schädelknochen durchbohrt wurde“ oder Jugendlichen Löcher in Hände, Arme und Beine gebohrt worden seien. In anderen Fällen sollen gefangene Palästinenser im Kofferraum eines in der prallen Sonne geparkten Wagens festgehalten worden sein. Mehrmals sei das Blut von verletzten Gefangenen dazu benutzt worden, antipalästinensische Parolen an Wände zu malen.

Zahlreiche Fälle von Vergewaltigungen werden aufgelistet. Eine palästinensische Familie habe berichtet, kuwaitische Jugendliche hätten ihren Sohn entführt und als Bedingung für seine Freilassung gefordert, daß seine zwei Schwestern die Nacht mit ihnen verbrächten, heißt es. Ein Augenzeuge wird zitiert, er habe gesehen, wie kuwaitische Milizionäre palästinensische Frauen dazu gezwungen hätten, sich auszuziehen und nackt durch die Straßen zu laufen.

Die meisten dieser Berichte sollen der amerikanischen Botschaft in Kuwait mitgeteilt, aber auf keine Resonanz getroffen sein. Der Bericht fordert sofortige internationale Aktionen gegen die Mißachtung der Menschenrechte der Palästinenser in Kuwait, andernfalls sei mit Gegengewalt der in Kuwait lebenden Palästinenser zu rechnen, und die Situation in Kuwait könne „explodieren“.

Eine dem kuwaitischen Herrscherhaus nahestehende Kuwaiterin berichtete kürzlich, sie habe eine Palästinenserin belauscht, die aus einer Telefonzelle in Kuwait ihren Sohn in Amman angerufen und diesem gesagt habe: „Sie haben deinen Bruder getötet, du mußt ihn rächen. Deinen Bruder für zehn Kuwaiter.“