: SPD will Geldwäschern den Hahn abdrehen
■ BKA: Deutschland wird immer mehr Absatzregion für Kokain-Mafia/ Schwachpunkt der organisierten Kriminalität sind Geldwäschereien/ SPD fordert verschärfte Gesetzgebung für Banken: Wer Geld aus einer Straftat anlegen läßt, soll sitzen
Berlin (taz) — Mit jeder größeren Kokain-Beschlagnahme sehen sich die Experten des Karlsruher Bundeskriminalamtes in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt: „Durch die Sättigung des Kokain-Marktes in Nordamerika kommt der Absatzregion Europa insbesondere der Bundesrepublik besondere Bedeutung zu.“
Seit Jahren warnen die 280 BKA- Beamten, die ausschließlich zur Bekämpfung des Rauschgifthandels eingesetzt sind, „Europa wird immer mehr von der Kokain-Mafia überzogen werden“. Die Anfänge seien klar, Kartelle und Syndikate hätten erste „Brückenköpfe“ längst gebildet. Der Handel mit dem weißen Pulver reiht sich ein in die Verbrechen, die seit 1989 von Sicherheitspolitikern zunehmend unter dem Begriff der „Organisierten Kriminalität“ (OK) zusammengefaßt werden. Neben der Rauschgift- und Wirtschaftskriminalität sind damit der internationale Waffenhandel und vorsätzliche Umweltdelikte gemeint.
Das „OK“ wurde wiederholt zum Anlaß genommen, den Ausbau des Polizeiapparates zu fordern oder dessen Kompetenzen zu erweitern. Begehrlichkeiten äußerte Anfang letzten Jahres aber auch die obersten Verfassungsschützer in Köln. Sie drangen darauf, im Vorfeld organisierter Verbrechen schnüffeln zu dürfen. Das Anliegen wurde zwar verworfen, der Einsatz geheimdienstlicher Mittel durch die Polizei aber von den Unionsregierten Bundesländern anschließend auf die Themenliste der Innenministerkonferenzen gesetzt. Unter deren Regie wurde ein umstrittener Gesetzentwurf zur Bekämpfung der OK auf den Weg gebracht, der neben dem Einsatz verdeckter Ermittler (sogenannter „Under-cover-Agenten“) auch die Überwachung des Telefon- und Briefverkehrs und die umfangreiche Sammlung der Daten verdächtigter Personen vorsieht.
Während die Politiker noch streiten, ob sich der Under-cover-Agent an „millieubedingten Straftaten“ beteiligen dürfe, um so ihre Legende als Mitglied einer kriminellen Organisation aufrecht zu erhalten, ist unter den Experten unumstritten, daß die Achillesverse der organisierten Kriminalität ganz woanders liegt: bei den immensen illegalen Gewinnen, die von den Syndikaten „gewaschen“ werden müssen, bevor sie ganz legal im regulären Wirtschaftskreislauf wieder angelegt werden können.
Bereits 1984 schätzte die in London erscheinende Zeitung 'South‘, daß acht bis neun Prozent des Welthandels auf Umsätze aus dem illegalen Drogenhandel basieren. Die Summen sind mehr als beträchtlich. Der weltweite Jahresumsatz aus den illegalen Geschäften wurde etwa 1986 vom zuständigen Uno-Generaldirektor auf 300 Milliarden Dollar geschätzt. Interpol nannte gar 500 Milliarden.
Allein in den USA sollen jedes Jahr über 75 Millarden der „Narco- Dollars“ über die Banken „gewaschen“ werden. Und der europäische Markt, so die BKA-Experten, wird wegen seines sorgsam gehüteten Bankgeheimnisses für die weltweit operierenden Drogenkartelle immer interessanter.
Kein Einzelfall: Kolumbianische Gelder aus dem Drogenmarkt, um die zehn Millionen Mark, wurden im März 1989 bei einem Hamburger Geldinstitut beschlagnahmt. Weil die gesetzlichen Bestimmungen der Bundesrepublik nicht ausreichten, die Drogengelder zu konfiszieren, mußte die Staatsanwaltschaft sie wieder freigeben.
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt haben die Staaten der Europäischen Gemeinschaft am Montag einen ersten Schritt zur Unterbindung der Geldwäsche unternommen. Sie verständigten sich auf eine Regelung, nach der ab dem 1. Januar 1993 in den europäischen Banken eine verstärkte Ausweispflicht gilt.
Im EG-Verbund werden die Banken künftig nicht nur verpflichtet, die Identität von Kunden festzustellen, die ein Konto eröffnen. Wenn in einer oder mehreren Überweisungen von Unbekannten mehr als 15.000 ECU (etwas über 30.000 Mark) transferiert werden, müssen die Banken den Auftraggeber feststellen und die Behörden unterrichten. Die Banken werden zudem aufgefordert, bei Geschäften mit Drittländern, „besondere Aufmerksamkeit“ walten zu lassen.
Mit dem Beschluß werden die meisten der EG-Staaten gesetzliche Regelungen treffen müssen, die die „Geldwäsche“ unter Strafe stellen. Einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches hat gestern für die Sozialdemokraten der Abgeordnete Jürgen Meyer vorgelegt. Allein für den Heroinhandel würden in der Bundesrepublik die jährlichen Verbrechensgewinne auf rund 1,5 Milliarden Mark geschätzt, sagte er. Die Bundesregierung müsse sich fragen lassen, ob sie den von Interessenvertretern des Kreditgewerbes gegen ein Geldwäschegesetz vorgetragenen Bedenken größeres Gewicht beimesse, als völkerrechtlichen Verpflichtungen und Erfordernissen des Rechtsstaates.
Wer das aus einer Straftat stammende Geld „verwahrt, annimmt oder auch nur vorübergehend bei sich ein- oder anlegen läßt“, muß dem SPD-Entwurf zufolge mit Freiheitsstafen von bis zu fünf Jahren rechnen. Vorausgesetzt, daß er weiß „oder annehmen muß“, daß das Geld aus einer Straftat stammt.
Die Sozialdemokraten wollen die Strafprozeßordnung auch dahingehend ergänzt sehen, daß die Beschlagnahme illegal erworbener Vermögenswerte schon zum Zeitpunkt des Haftbefehles oder der Anklageerhebung möglich wird. Damit soll verhindert werden, daß sich die Täter ins Ausland absetzten und Vermögen dorthin transferieren können. Wolfgang Gast
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