INTERVIEW
: „Beschleunigung auch im Westen“

■ NRW-Verkehrsminister Kniola wehrt sich gegen einen Vorrang des Bundes

Taz: Im Ruhrgebiet pendeln wesentlich mehr Menschen mit dem Auto zur Arbeit als in anderen Ballungszentren. Warum geht es mit dem öffenlichen Nahverkehr im Ruhrgebiet nicht recht voran?

Franz-Josef Kniola: Das kann ich nicht unterschreiben. Ganz im Gegenteil, wir haben in den vergangenen 20 Jahren einen zügigen Ausbau unseres öffentlichen Nahverkehrs gehabt. Seit es hier eine Landesförderung gibt, sind über acht Milliarden Mark für den Ausbau des Nahverkehrsnetzes ausgegeben worden.

Sie wollen als Verkehrsminister die Planungen beschleunigen. Daher haben Sie gemeinsam mit Bayern für eine Art gesamtdeutsches Beschleunigungsgesetz votiert. Werden Sie diese Haltung auch in den Bundesratsdikussionen beibehalten?

Ja. Wir sind der Auffasssung, daß grundsätzlich auch die Genehmigungsverfahren bei uns in den alten Bundesländern beschleunigt werden müssen. Wir haben im Augenblick zwei konkrete Gesetzentwürfe vorliegen. Da ist einmal der Entwurf des Bundesverkehrsministeriums und zum anderen der bayerische Entwurf. Über Einzelpunkte wird man noch streiten müssen.

Was wären solche Einzelpunkte?

Die Einzelpunkte sind zum Beispiel die Fragen des Verhältnisses von Raumordnungsverfahren durch die Länder zur Linienbestimmung des Bundesverkehrsministers, die Frage, wo man auf mehrere Berufungsinstanzen für den Rechtsschutz der Bürger verzichten kann, und die Frage, wann es einer Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf.

Das sind doch vor allem Kritikpunkte am Krause- Entwurf?

Nein, Minister Krause will den absoluten Vorrang des Bundes im Linienbestimmungsverfahren und überhaupt kein Raumordnungsverfahren mehr. Die Bayern gehen genau den umgekehrten Weg und rücken ausschließlich das in Länderhoheit liegende Raumordnungsverfahren in den Mittelpunkt. Im Moment gibt es eine Rechtssituation mit Linienbestimmung und Raumordnung. Wir sind dafür, daß diese rechtliche Situation beibehalten wird.

Der Krause-Entwurf enthält die Möglichkeit, Verkehrswege aus den fünf neuen Bundesländern bis in die Ballungszentren im Westen zu legen. Ist das eine Hintertür für umstrittene Autobahnprojekte?

Wir haben auch in diesem Punkt dem Entwurf des Bundesverkehrsministers von vorneherein widersprochen. Eine weit in die alten Länder reichende Planung mit einem Gesetz, daß nur für die neuen Länder gedacht ist, kann nicht akzeptiert werden. Strecken von Sachsen-Anhalt bis nach Nordrhein-Westfalen oder bis nach Nürnberg gehen weit über das hinaus, was innerhalb eines Beschleunigungsgesetzes Ost regelbar ist. Deswegen ist es die Auffassung von Nordrhein-Westfalen und Bayern, daß es ein Beschleunigungsgesetz geben soll, daß sowohl Ost wie West umfaßt. Das Gute an der gegenwärtigen Diskussion ist doch, daß nicht mehr nur über eine Beschleunigung-Ost geredet wird.

Gibt es Unterschiede in der Haltung der SPD-Bundestagsfraktion und der SPD-Verkehrsminister?

Das kann ich nicht erkennen. Unsere Grundkritik an Minister Krause ist: Verfahrensbeschleunigung ja, aber wir können uns ein so klar gespaltenes Recht, wie es der Minister vorschlägt, nicht vorstellen. Der Krausesche Entwurf geht mir zudem an anderen Stellen zuweit. Es ist deutlich, daß Umweltbelange und Bürgerrechte zu sehr eingeschränkt werden sollen.

Welche grundsätzliche Strategie verfolgen Sie als Verkehrsminister, um den Verkehrsproblemen der Zukunft zu begegnen?

Die versteckte Subvention des Autoverkehrs, auch der LKW-Transporte, muß aufhören. Das Autofahren wird damit generell teurer werden. Im Beschluß der Verkehrsministerkonferenz heißt es, die wegekostenbezogenen Abgaben müssen deutlich erhöht werden. Die Verkehrsminister der Länder sind sich einig, daß mehr Verkehr auf Schiff und Schiene gebracht werden muß und wesentlich mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen müssen.

Also keine Einschränkungen des Verkehrs an sich?

Das wird sich am besten über den Preis regeln lassen. Alle Verkehrsminister wollen eine deutliche Verteuerung des Güterverkehrs auf der Straße. Das ist das beste Regulativ. Die Innenstädte können künftig aus Immissionsschutzgründen gesperrt werden, wenn die Luftschadstoffwerte überschritten werden. Wichtiger für die Verkehrpolitik in den Städten ist aber gerade in Nordrhein-Westfalen die Parkraumbewirtschaftung. Immissionsschutzrechtlich können die Behörden die Städte immer nur für kurze Zeiten sperren. Und den be- und entladenden Lastverkehr müssen sie ohnehin hineinlassen.