Auch Westländer wollen schneller bauen

■ Die alten Bundesländer wollen den Autobahnzentralismus im Beschleunigungsgesetz nicht durchgehen lassen. Vor allem aber wollen auch sie in Zukunft schneller bauen dürfen. Eine Alternative zu Krauses

Auch Westländer wollen schneller bauen Die alten Bundesländer wollen den Autobahnzentralismus im Beschleunigungsgesetz nicht durchgehen lassen. Vor allem aber wollen auch sie in Zukunft schneller bauen dürfen. Eine Alternative zu Krauses Gesetzesentwurf wird heute im Verkehrsausschuß des Bundesrates diskutiert.

VON HERMANN-JOSEF TENHAGEN

Eigentlich wollen sie alle mehr und das gleiche: Straßen, Schienen und Kanäle für Ost und West im Überfluß. Auch über das Problem sind sich die Männer in den bundesdeutschen Verkehrsressorts grundsätzlich einig: Die Zeit von der ersten Planung bis zur fertigen Asphaltpiste oder ICE-Strecke dauert ihnen zu lange. Es braucht daher ein Beschleunigungsgesetz für die Verkehrswegeplanung.

Doch gleichzeitig liegen die Verkehrminister der Westländer im Clinch mit Bundesverkehrsminister Krause. Nicht etwa, weil dessen Gesetzentwurf die Beschneidung von Bürgerrechten und den Wegfall von Umweltverträglichkeitsprüfungen vorsieht, sondern vielmehr weil Krauses Planungen nur für den Osten gelten und nur vom Bund vorangetrieben werden sollen. Der Streit kulminiert derzeit in einem bayerischen Alternativentwurf. Beschleunigt werden soll nach den Willen der Bayern der Verkehrswegebau in ganz Deutschland. Vor allem aber: Für die schnellere Planung soll der Bundesverkehrsminister auf die Linienbestimmung verzichten und sie allein den Raumordnern der Länder überlassen. Die Linienbestimmung des Bundes „wird gestrichen“, heißt es lapidar in Paragraph1 des bayerischen Entwurfs. Zur Begründung führen die Bayern an, das Linienbestimmungsverfahren sei „im Kern ein zusätzliches Raumordnungsverfahren“ und damit überflüssig.

Anders herum könne auf das Raumordnungsverfahren nicht verzichtet werden, heißt es in der Begründung des bayerischen Entwurfs. „Raumordnung und Landesplanung sind wesentlicher Teil der föderalistischen Ordnung des Grundgesetzes. Sie können den Ländern aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht genommen werden“, droht die CSU aus München. Ökologisch erfreulicher Nebeneffekt: Die Raumordner der Länder müßten wie jetzt auch früh im Planungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen. Heute stehen beide Gesetzentwürfe im Verkehrsausschuß des Bundesrates zur Diskussion. Die Bonner Bürokratie spricht von einer deutlichen „Frontstellung“.

In Krauses Ministerium zeigte man sich gestern gespannt, wieviel von der „positiven Grundstimmung, die auf der Verkehrsministerkonferenz im März noch vorhanden war“, bei den Auseinandersetzungen im Bundesrat übrig bleibt. Der Sprecher des bayerischen Innenministers, Günter Schuster, brachte die Länderkritik kurz vor Bonner Sitzung gegenüber der taz noch mal auf den Punkt: Bayern wolle, daß „Verfahrensschritte abgeschafft werden, die zu erheblichen Verzögerungen beitragen, wie die Linienbestimmung des Bundesverkehrsministers“. Man könne „durchaus die Befürwortung des föderalen Prinzips da rauslesen“, so Schuster. Auch im Westen soll schnell gebaut werden können, von Ökologie keine Spur. Assistiert werden die Bayern in ihrer Kritik von Baden-Württemberg und den SPD- Ländern Nordrhein-Westfalen (Interview) und Schleswig-Holstein. Alle vier Länder hatten schon im März auf der Verkehrsministerkonferenz gegen den Entwurf von Minister Krause gestimmt. Heiko Tornow, der Sprecher des Schleswig- Holsteinischen Verkehrsministers: „Ich trau den Bonnern keine größere Weisheit zu. Wenn man die ganze Straßenplanung auf Bonn konzentriert, können die Länder ja nur noch nicken oder mit dem Kopf schütteln.“ Gestern nachmittag wurde im Kieler Kabinett aber noch getagt.

Verbündete hat der Ostler Krause vor allem im alten und neuen Osten. Berlins Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) stellt sich und die schwarz-rote Koalition vorbehaltlos hinter den Krause-Entwurf. Er will die beim Bundesverkehrsminister zentralisierte Planung mit weniger Bürgerbeteiligung sogar bis 1999 verlängern, „weil man all die Projekte bis 1995 gar nicht einstielen kann“, so Haases Sprecherin, Uta- Micaela Dürig. Hinter der Kritik der Westländer vermuten die Berliner nur Böses: „Eventuell wird da sogar das Gesetz ganz ausgehebelt oder verzögert.“ Die Westländer versuchten seit Monaten die Umverteilung von Verkehrsgeldern in den Osten zu verhindern. Der Verzicht auf die frühe Umweltverträglichkeitsprüfung macht den Berlinern keine Bauschmerzen. Es gebe immer noch genügend Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung.

Das SPD-geführte Brandenburg eierte gestern noch. Die Entscheidung sollte nach Redaktionsschluß im Kabinett fallen. Prinzipiell ist man auch in Potsdam für ein Beschleunigungsgesetz ausschließlich für die neuen Länder, bekannte Ministeriumssprecher Manfred Schwarzkopf. Aber die SPD habe bundesweit erhebliche Reserve gegen den Krauseschen Entwurf erkennen lassen. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Daubertshäuser, hatte Anfang der Woche an Brandenburg appelliert, seine positive Haltung zu dem Gesetzentwurf von Minister Krause noch einmal zu überdenken. Der Verzicht auf eine frühe Umweltverträglichkeitsprüfung werde sich später in Planungsfehlern rächen.

Beim Umweltbundesamt macht man sich seinen eigenen Reim auf die beiden Gesetzentwürfe. Beschleunigung auf bayerisch oder „bönnsch“: „Die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht der entscheidende Zeitfaktor, weil Auslegung, Einwendungsfristen und Anhörung ohne Komplikationen in drei Monaten möglich sind“, kommentiert UVP-Spezialist Thomas Bunge. Entscheidende Zeiteinsparungen könnten nur in den behördeninternen Abläufen und auf dem Klageweg erreicht werden.