: Eine Stadt trainiert für Olympia 2000
■ taz-Serie von Oliver G. Hamm über die Planungen für die Olympischen Spiele/ Teil 2: Unterbringung und Sportstätten
Berlin will nicht nur »richtige Hauptstadt« werden, sondern bewirbt sich auch als einzige deutsche Stadt um die Olympischen Spiele im Jahr 2000. Im März dieses Jahres übergab der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen dem Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees die Bewerbung; im September 1993 wird das Internationale Olympische Komitee die endgültige Entscheidung treffen. Der Autor der dreiteiligen taz-Serie hat Architektur studiert und ist Redakteur bei der 'deutschen bauzeitung‘. Im ersten Teil beschäftigte er sich mit der Geschichte der Berliner Bewerbung und dem Verkehrsproblem. Wir setzen die Reihe heute fort mit den Planungen für die Unterbringung und die Sportstätten.
Unterbringung von Sportlern und Besuchern
Der Olympia-Expreß soll das Olympische Dorf in Ruhleben, nur wenige Gehminuten vom Olympiastadion entfernt, mit den Unterkünften der »Olympischen Familie« an der Rummelsburger Bucht verbinden. Die 18 km lange Strecke könnte in zwanzig Minuten zurückgelegt werden. Die Wohnungen für geschätzte 15.000 Sportler, Betreuer und Offizielle mit entsprechender Infrastruktur müssen erst noch gebaut werden. Da Berlin neben den Spielen auch die Paralympics, die Spiele der Behinderten, ausrichten will, sollen 750 Wohnungen behindertengerecht gebaut werden. Bis zu 350.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche für Wohnnutzung, außerdem 110.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche für Dienstleistungen müßten in dem 130 Hektar großen Gebiet geschaffen werden. Teilflächen werden heute noch für militärische Übungen genutzt. Altlasten sind dort zumindest nicht auszuschließen. Der nördliche Bereich wird durch Wohn-, Verwaltungs- und Gewerbebauten sowie Sportflächen belegt, die übrige Fläche ist (noch) durch Wald- und Vorwaldbestände charakterisiert. Das Gebiet der geplanten neuen Wohnbebauung ist von der Charlottenburger Chaussee, der Westbahn und dem Friedhof Ruhleben begrenzt. An der nordöstlichen Peripherie des Olympiadorfes endet die U-Bahn-Linie 1, die den direkten Anschluß an die City gewährleistet. Die Wohnungen ließen sich in einer »höhergestellten Wohnanlage mit Parkcharakter« unterbringen, deren Bauhöhe sich von sieben Geschossen im Norden terrassenartig bis auf drei Geschosse im Bereich des Waldrandes verringern könnte. Der dritte Schwerpunkt des Olympiadorfs mit zwei- bis dreigeschossigen Gemeinbedarfsbauten liegt auf den Flächen des Parkplatzes sowie an der Glockenturm- und Passenheimer Straße.
Am Westhafen oder an einem anderen, günstig gelegenen, Standort soll ein Mediendorf entstehen. Rund drei Viertel der erwarteten 12.000 Journalisten — dazu kommen noch 4.000 Techniker — könnten also in der Nähe des Hauptmedienzentrums und des Olympiastadions untergebracht werden, mit direkter Anbindung an den Olympia-Expreß. Dazu müßte allerdings das Hafengelände saniert werden. Ein Großteil der Olympischen Familie — das sind rund 16.500 Repräsentanten der Olympischen Komitees und Fachverbände, Delegierte, Kampfrichter, Ehrengäste und Sponsoren — soll an der Rummelsburger Bucht angesiedelt werden. Dazu sind umfassende Sanierungen und der Neubau einer Wohnanlage für 12.000 Gäste auf der Stralauer Halbinsel am Rummelsburger See erforderlich. Die Wohnungen sollen vor und nach den Spielen an Studenten vermietet werden. Das olympische Jugendlager für rund 2.500 Teilnehmer ist im Landschaftspark Wuhlheide geplant. Dort sollen 750 Wohnungen gebaut werden, die nach den Spielen als Studentenwohnheime und als Jugend-Begegnungsstätte genutzt werden können.
Das Olympia-Büro Berlin rechnet mit rund drei Millionen Besuchern während der zweiwöchigen Spiele. Wo die auswärtigen Besucher untergebracht werden könnten, steht noch in den Sternen. Fest steht, daß die heutigen Hotelkapazitäten bei weitem nicht ausreichen: Zur Zeit gibt es in Berlin rund 37.000 Betten in Hotels und Pensionen, davon etwa 8.000 in Spitzenhotels. In der höchsten Kategorie werden aber alleine 4.500 Betten für die Olympische Familie benötigt, dazu kommen weitere 7.000 Betten in Hotels unterschiedlicher Kategorien für die Medienvertreter. Der tägliche durchschnittliche Bedarf für »normalsterbliche« Besucher wird aber mit 90.000 Betten angegeben. Sicher ist, daß die Nachfrage nur unter Einbeziehung der Hotels im weiteren Umland Berlins bewältigt werden könnte.
Sportstätten in Ost- und West-Berlin
Das Herzstück Olympischer Spiele ist das Olympiastadion. Berlin hat bereits eins, das Stadion von 1936 auf dem Maifeld. Die 76.000 Zuschauer fassende Arena, die zuletzt anläßlich der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 umfassend saniert worden war, muß modernisiert werden. Im Olympiastadion würden die Leichtathleten, die Fußballer und die Reiter um Medaillen kämpfen, dort würden auch die Eröffnungs- und Schlußfeier stattfinden. Das benachbarte Schwimmstadion unter freiem Himmel könnte den Wasserballern als Spielstätte dienen. Auf dem Maifeld könnten die Bogenschützen um Medaillen kämpfen. In unmittelbarer Nähe des Stadions ist außerdem eine Großsporthalle für 8.000 Zuschauer geplant; dort könnte Handball gespielt werden. Die bisher von der britischen Militärregierung genutzten Gebäude und Freianlagen sollen für Training, Wettkampf und Verwaltung genutzt werden.
Das zweite Zentrum der XXVII. Olympischen Spiele läge im Osten der Stadt: Stadion der Weltjugend, Jahnsportpark, Friesenstadion und Werner-Seelenbinder-Halle. Das Stadion der Weltjugend an der Chausseestraße wird abgerissen, an seiner Stelle soll die Olympiahalle mit 20.000 Sitzplätzen entstehen. Sie wäre die größte Veranstaltungshalle Berlins und würde während der Spiele für Turnen, Handball, Basketball und Volleyball genutzt.
Die Stadionanlage an der Cantianstraße im Jahnsportpark soll modernisiert werden. In diesem Bereich ist der Neubau einer Sporthalle und einer Bezirkssporthalle geplant, außerdem soll ein Baseballstadion für 10.000 Zuschauer errichtet werden. Als Ersatz für die veraltete Werner- Seelenbinder-Halle, die abgerissen wird, soll in der Fritz-Riedel-Straße eine multifunktionale Radsporthalle (6.000 Plätze) mit fest installierter Rundbahn gebaut werden. Auch das bauaufsichtlich gesperrte Karl- Friedrich-Friesen-Schwimmstadion an der Dimitroffstraße, im Volkspark Friedrichshain, soll abgerissen werden. An seiner Stelle wird eine neue Schwimmhalle hochgezogen, die während der Spiele 10.000 Zuschauern Platz bieten könnte.
Inwieweit Um- und Neubauten von Hallen auf dem Messegelände erforderlich sind, wird noch untersucht. Das Olympiabüro entwickelt zur Zeit in Zusammenarbeit mit der Messegesellschaft (AMK) eine neue Konzeption. Die Deutschlandhalle, in der Basketball gespielt werden soll, müßte grundlegend modernisiert werden. Auf dem Messegelände sind außerdem Wettkämpfe für Basketball, Volleyball, Tischtennis, Fechten, Ringen und Gewichtheben geplant. Insgesamt sollen in Berlin neun Sporthallen neu gebaut werden.
Für die Ruderer und Kanuten steht die Regattastrecke in Grünau zur Verfügung. Um die Segelregatta bewerben sich sechs Städte: Kiel, Stralsund, Lübeck/Travemünde, Flensburg, Burg auf Fehmarn und Rostock/Warnemünde. Weitere drei Sportarten sollen außerhalb von Berlin ausgetragen werden: Schießen in Lehnitz, Reiten in Hoppegarten und Fußball in mehreren umliegenden Städten. Als Trainingsstätten werden 75 Hallen und 25 Freianlagen benötigt. Berlin hat bereits heute etwa 1.000 Sporthallen, ein zehntel davon mit dem bei internationalen Wettkämpfen geforderten Maß.
Nach der Einschätzung des Olympia-Büros hat die Nominierung der Bewerberstädte für die Olympischen Spiele 1996 gezeigt, daß die wichtigsten Sportstätten bereits zum Zeitpunkt der Bewerbung vorhanden oder im Bau sein sollten. Da Berlin bisher kaum über olympiagerechte Wettkampfanlagen verfügt, müßten unverzüglich Bauwettbewerbe für das Schwimmstadion, das Velodrom, die Großsporthalle und die Olympiahalle durchgeführt werden. Bis September 1993, wenn das IOC den Gastgeber der Sommerspiele im Jahr 2000 auswählt, sollen einige Sportstätten bereits stehen.
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