Japan reagiert gelassen auf CIA-Anwürfe

In Tokio macht man sich Sorgen um das Nervenkostüm der Noch-Weltmacht USA  ■ Aus Tokio Georg Blume

„Amoralisch“, „rassistisch“ und „manipulativ“ — das Resümee einer Auftragsstudie der CIA über die Befindlichkeit der japanischen Gesellschaft und des Staates ist kaum geeignet, das Verhältnis zwischen Tokio und Washington zu verbessern — doch in Japan zuckt man kaum mit der Wimper. „Zu diesem Bericht erübrigt sich der Kommentar.“ Mit der Lakonik eines unerschütterlichen, aber diplomatischen Selbstbewußtseins kanzelte gestern ein Sprecher des japanischen Außenministeriums jenen skandalträchtigen CIA-Bericht ab, der Nippon kurzerhand im totalitären Lager ansiedelt.

Natürlich hatte die allumfassende Anklageschrift aus der Universität von Rochester, die nach einem CIA- Dementi nun doch nicht den Stempel des Geheimdienstes tragen soll, den Beschuldigten wenn schon nicht überrascht, so doch aufgebracht.

Nippons Zeitungen enthielten ihren Lesern die Forschungsergebnisse aus der New Yorker Denkfabrik nicht vor — und doch verfiel keine von ihnen in Rechtfertigungssorgen. Vielmehr sorgten sich die Kommentatoren um die Verfassung des Anklägers, dessen Formstil ja geradezu auf eine beunruhigende Nervenverfassung hinzuweisen schien. Die angesehene Tageszeitung 'Asahi Shinbun‘ unterstellt dem CIA sogar, die Öffentlichkeit „mit Absicht“ über das Japan-Pamphlet informiert zu haben. Nach dem Ende des kalten Krieges wolle der in die Krise geratene CIA nun anhand des neuen Feindbildes Japan die Notwendigkeit seines Fortbestandes rechtfertigen, vermutet 'Asahi‘ nachsichtig.

Man reagiert auch deshalb gelassen, weil man sich in Japan inzwischen an Schimpfkanonaden aller Art aus den USA gewöhnt hat. Mit Desinteresse hat das nichts zu tun. Ein zu Monatsbeginn mit dem Titel Der kommende Krieg mit Japan veröffentlichtes Buch zweier US-Autoren ist hier im Nu zum Bestseller avanciert.