Atommüllfässer nicht nach Gorleben

■ Lüneburger Gewerbeaufsichtsamt stoppt die Einlagerung der Mol-Fässer in das Zwischenlager/ Polizei nimmt den Müll vorerst in „Verwahrung“/ Grüne fordern: „Sofort zurück nach Mol!“

Der Atommüll-Container aus dem belgischen Kernforschungszentrum Mol darf vorerst nicht in das Zwischenlager Gorleben eingelagert werden. Das teilte gestern der Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes Lüneburg nach einer Durchsicht der Begleitpapiere mit. Danach sei nicht eindeutig nachzuweisen, daß die rund zehn Kubikmeter schwach radioaktiven Abfälle in dem Container tatsächlich aus den Atomkraftwerken Neckarwestheim und Krümmel stammten. Wie der atompolitische Sprecher der Grünen, Hannes Kempmann, dazu erklärte, ist es der Brennelementlagergesellschaft nicht gelungen, nachzuweisen, woher der Atommüll aus Mol kommt.

Gestern Nachmittag hat die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg ihre Blockade vor dem Atommüll-Zwischenlager Gorleben verstärkt. Daraufhin entschied der Einsatzleiter der Polizei, den Transport nicht dorthin zu leiten und den Atommüll im niedersächsischen Lüchow auf dem Gelände der dortigen Polizeikaserne vorerst in „Verwahrung“ zu nehmen. „Aber hier kann er nicht bleiben. Der Atommüll muß sofort zurück nach Mol“, fordert Kempmann.

Von den Transporten gewußt

Eine Genehmigung für diesen Transport und die Einlagerung der Molfässer in Gorleben hatte das zuständige Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg schon vor Wochen erteilt. Die Aufsichtsbehörde für das Gewerbeaufsichtsamt ist das Umweltministerium von Monika Griefahn. Während es dort vorgestern noch hieß, man sei nicht informiert gewesen, ergibt sich inzwischen ein anderes Bild. Wie die Sprecherin im rot-grünen Umweltministerium, Eva-Maria Rexing, mitteilte, war man in Hannover grundsätzlich von den bevorstehenden Atomtransporten aus Mol unterrichtet. Lediglich über die inzwischen erteilte Genehmigung und den Transporttermin sei man nicht informiert gewesen. Überraschend daran ist, daß es bereits vor einigen Monaten wegen zahlreicher aufgeblähter und geplatzter Atommüllfässer reichlich Wirbel gab. Auch hier wurden Transporte erst gestoppt nachdem die BI Lüchow Dannenberg auf gravierende Fehler in den Genehmigungsbescheiden hingewiesen hatte. Dies hätte eigentlich zu größerer Aufmerksamkeit im Umweltministerium führen müssen.

Zweifel an der Herkunft der Mol-Fässer

Die jetzige Genehmigung durch das Gewerbeamt bezeichnete Rexing angesichts der damaligen Sachlage als korrekt. Erst am Donnerstag, als bereits Mitglieder der BI gegen den vorstehenden Transport protestiert hatten, habe man nach Gesprächen mit der Gesellschaft für Nuklear Service (GNS), die für die Abwicklung der Transporte zuständig ist, Zweifel an der Herkunft des Atommülls bekommen. Die GNS hatte dem Ministerium mitgeteilt, daß nur zehn der insgesamt 170 Kubikmeter Atommüll, die in den nächsten Monaten aus Mol nach Gorleben sollen, eindeutig identifiziert worden sind. In dem vom Gewerbeamt erteilten Genehmigungsbescheid heißt es, so erklärte der grüne Staatssekretär Peter Bulle, daß nur Müll aus den Atomkraftwerken Krümmel und Neckarwestheim in Gorleben eingelagert werden dürfte. In einem Prüfbericht habe der Tüv allerdings nur bestätigt, daß der GNS-Atommüll aus Mol von Leichtwasserreaktoren stamme. „Das alles deutet daraufhin, das die Herkunft der Abfälle nicht nachgewiesen ist“, erklärte Bulle. Unklar bleibt aber, wieso diese Probleme nicht schon vorher erkannt wurden.

Der Container mit radioaktivem Abfall aus dem belgischen Atomzentrum Mol kann höchstens bis heute abend in der Lüchower Polizeikaserne bleiben. Wohin die Fässer dann rollen, ist ungewiß.

Mol-Fässer auf dem Weg nach Duisburg?

Inzwischen befürchtet die Duisburger „Bürgerinitiative gegen radioaktive Verseuchung“, daß der Container in Duisburg Wanheim landet. Das gehe angeblich aus den Transportbegleitpapieren der GNS hervor. Wollte die GNS die Fässer nach Duisburg schaffen lassen, müßte sie jedoch fünf Tage vorher einen entsprechenden Antrag beim Duisburger Gewerbeaufsichtsamt stellen. Ein solcher Antrag lag dem Amt aber bis gestern nicht vor. Unwahrscheinlich ist darüber hinaus, daß er genehmigt würde. Im letzten Herbst hatte die Duisburger Gewerbeaufsicht der in Essen ansässigen GNS untersagt, Atommüllfässer aus Gorleben zur Behandlung anzunehmen. Nach Angaben der 'Westdeutschen Allgemeinen Zeitung‘ (WAZ) planen die in Kalkar engagierten Energieunternehmen unter Federführung des RWE, Teile der Einrichtungen auf dem Brütergelände als Zwischenlager für schwach radioaktive Abfälle zu nutzen. Das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf bestätigte, über diese Pläne informiert zu sein. Der Geschäftsführer der Schnell-Brüter- Kraftwerksgesellschaft (SBK), Günther Theisen, sagte gestern der taz, daß „der Reaktorblock selbst“ für die Lagerung schwach radioaktiven Abfalls in Frage käme. Doch sei über ein Zwischenlager bisher lediglich allgemein im Rahmen künftig möglicher Nutzungen für den Brüter diskutiert worden. Noch hätten die Brüterbetreiber bisher keinen entsprechenden Antrag auf ein Zwischenlager gestellt. Die RWE Energie AG prüfe derzeit, in den vorhandenen Teilen ein Kraftwerk auf Ölbasis oder ein Gas- und Dampf-Großkraftwerk zu errichten. Dirk Seifert/bem