: „Platt wie ein Turnschuh“
■ Werder gegen Bochum 2:1 / Rückblick auf eine durchwachsene Saison
Kürzlich befragte eine große Sportzeitung ihre LeserInnen nach den „Top 900“ des deutschen Fußballs. Sieger wurde der Mailänder Andreas Brehme, als bester Werderaner belegte Wynton Rufer den 17. Platz, gefolgt von Klaus Allofs (Platz 26) und Frank Neubarth (Platz 28). Ein typisches Ergebnis für Werder '91: Weit oben zwar, doch noch ein ganzes Stück von der absoluten Spitze entfernt — genau wie in der Bundesliga.
Dabei hatte der SV Werder noch im Winter die Tabelle angeführt und Hoffnungen genährt auf einen neuerlichen Titelgewinn — bis eine verkorkste Rückrunde den Sturz auf den dritten Tabellenplatz bescherte. Das 2:1 gegen den VfL Bochum förderte am Samstag Bremens Schwäche nochmals deutlich zutage: Die Mannschaft war in der gesamten Saison nicht in der Lage, eine vielbeinige Abwehr spielerisch zu überwinden. Hohe Flanken, von allen Seiten wuchtig in den Strafraum getreten, dann und wann ein Distanzschuß a la Borowka — das war auch schon alles, was den Grün-Weißen in letzter Zeit einfiel. Gegen die Bochumer reichte das aus, weil deren Hintermannschaft sich gedanklich bereits in den Urlaub verabschiedet hatte. Motiviertere Teams wie Nürnberg oder Wattenscheid indes trotzten dem durchsichtigen Bremer Gekicke und knöpften den Werderanern Punkt um Punkt ab: Vierzehnmal gab's ein Remis! Negativ machte sich zudem bemerkbar, daß Werder-Torwächter Oliver Reck manchen Ball passieren ließ, den seine Großmutter mit der Einkaufstasche gehalten hätte. Ergebnis: langweilige Spiele, wenig Siege (nur 18:16 Punkte in der Rückrunde), Meisterschaft ade.
Die Ursache für die Lethargie im Bremer Spiel vermochten auch die Kicker nicht zu entdecken. Dieter Eilts etwa war nach dem müden 1:1-Unentschieden gegen Bayer Leverkusen ratlos: „Wir trainieren wie immer — aber trotzdem fühle ich mich oft platt wie' n Turnschuh.“ Dabei hatte Dauerläufer Eilts noch am wenigsten Grund zur Klage. Seine Rennerei trug ihm sogar einen Vermerk im Notizbuch des Bundestrainers ein.
Nur im Pokalhalbfinale liefen die Weserkicker noch einmal zu Galaform auf und hielten die Frankfurter Eintracht mit 6:3 nieder. Im Endspiel am nächsten Samstag wollen sie endlich den Pokal gewinnen. Der Finalsieg wäre auch ein versöhnlicher Abschluß für Günter Hermann, Absteiger der Saison. Im Spiel gegen Bochum wurde die Nummer drei vorzeitig ausgewechselt, nachdem er die Zuschauer (“Hermann raus!!“) mit einigen Fehlpässen mal wieder geärgert hatte. Die alten Erfolge sind vergessen — für die Fans ist Hermann längst „mega- out“. Beweis: bei der Wahl der „Top 900“ des deutschen Fußballs bekam er nur 124 Stimmen. Und das reichte gerade mal für Platz 557. Holger Gertz
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