Afrikanische Tanzschaffe

■ Iki Dünya und die „Dissidenten“ in der Roots-Night im Schlachthof

Ein netter Einfall der IG-Metall, zum Hundertjährigen eine einheimische, noch weitgehend unbekannte Ethno-Beat-Kapelle zusammen mit einer international renommierten zu präsentieren — und somit dem finanziell ja nicht gerade üppig gepolsterten Schlachthof in der „Roots Night“-Reihe einen Auftritt der „Dissidenten“ zu ermöglichen. Umso unverständlicher, daß man dem bodenständigen britischen Gitarrenschrammler Dave Kusworth ein Zwischenspiel ermöglichte, das wohl noch nicht mal vor eigener Zielgruppe spannend gewesen wäre: Am Freitag sorgte sein Quartett mit rüdem, einfallslosem und luschig präsentiertem Gitarrenrock für aufkommende Langeweile. Dabei hatten „Iki Dünya“ zuvor nahtlos an ihren großartigen Breminale-Auftritt angeknüpft und die Kesselhalle angemessen auf Trab gebracht. Nichts hätte näher gelegen, als gleich anschließend die Berliner auf die Bühne zu holen: Beider Konzept mischt sich aus verwandten Essenzen. Die Bremer machen aus türkischen Elementen eine griffige Rockmusik, die „Dissidenten“ aus rockmusikalischem Rüstzeug eine nordafrikanische Tanzschaffe von beispielloser Art. Die drei Berliner Dissidenten der frühen Ethno-Jazzer „Embryo“ — Marlon Klein (drums), Friedemann Josch (flute) und Uve Müllrich (bass) - sind musikalische Kosmopoliten. In Indien, Nordafrika, Spanien und Kanada haben sie mit wechselnden Musikern gelebt und gearbeitet, in New York ein Live- Album eingespielt, überall gefeiert von den Größen der lokalen Musikszene: Tausend und eine Nacht unterwegs in Sachen Weltmusik. Die modische Hausse des Begriffs darf ihnen egal sein: Sie waren schon vorher da. Menana Ennaoui (vocal), Noujoum Ouaza (vocal, Mandola), der spanische Akkordeonist Tomas Miguel und Roland Spremberg an den Keyboards komplettierten das Bremer Line-Up. Viel Rauch und Licht, ein abgeklärter Bewegungsablauf in dem ein biegsamer Friedo Josch mit diversen Tuten sowas wie die Derwischrolle abtanzte, sorgten fürs professionelle Ambiente, ein mächtig rollender Groove von Elektro-Drums und Bass für ausgelassenen Tanz vor der Bühne. Immer noch sind die orientalischen Melodien durchweg aus weltweit populären Mustern gestrickt. Josch und Spremberg vermitteln vor allem Dance- Feeling — orientalisch gewandet. „Telephone Arab“,“Fata Morgana“, „Inshallah“ — Die Titel ihrer Paradestücke sind so griffig wie die eingesetzten musikalischen Mittel, die Signale der „Dissidenten“ sind international verständlich. Musik für Kasbah, Dorfplatz und Nobeldisco. Partytime auch im Schlachthof. Rainer Köster