PRESS-SCHLAG
: Der Weise vom Betze

■ Kalli Feldkamp erfüllt die Pfalz mit orientalischem Geist

Auch mitten im Debakel zeigte sich Uli Hoeneß unbeugsam. „Ob das für den deutschen Fußball gut war, wird sich erst im Europacup erweisen“, grantelte er, nachdem seine mit großen Sprüchen in die Saison gestartete Mannschaft die Meisterschaft auf ziemlich klägliche Art endgültig an den 1. FC Kaiserslautern verloren hatte. Der Bayern-Manager kann jedoch beruhigt sein, dümmer als seine Münchner im Halbfinale gegen Roter Stern Belgrad können sich die Lauterer wohl kaum anstellen.

Im übrigen braucht er sich nur ein paar Jährchen zurückzuerinnern und eine, möglicherweise längst verdrängte, andere Bayern- Katastrophe aus seinem Gedächtnis hervorzukramen: das Pokalfinale 1985. Damals hatten die Nobodys von Bayer Uerdingen (sic!) den hochfavorisierten Münchnern, die zu jener Zeit von Udo Lattek (sic!) betreut wurden, in Berlin mit 2:1 ein Bein gestellt. Trainer der Uerdinger war kein anderer als Karl-Heinz Feldkamp, derselbe, der nun binnen Jahresfrist aus einem zum Abstieg verdammten Hühnerhaufen den Deutschen Meister 1991 herausdestilliert hat.

Auch damals gab es Unkenrufe zuhauf, die den Krefeldern ein übles Schicksal im Europacup prophezeiten und ihnen sogar eine Niederlage gegen Gegner wie Omonia Nikosia ohne weiteres zutrauten. Doch die Uerdinger spielten groß auf und lieferten im Viertelfinale gegen Dynamo Dresden eines der denkwürdigsten Spiele der Europapokalgeschichte, als sie nach einer 0:2-Hinspielniederlage auch in der heimischen Grotenburg bereits mit 0:3 zurücklagen und noch 7:3 gewannen. Im Halbfinale schieden sie dann knapp gegen Atletico Madrid aus. Und die Bayern? Tja, die zogen im Viertelfinale gegen den RSC Anderlecht den Kürzeren.

Kalli Feldkamp wird's schon richten. Schließlich hat er seit seiner Uerdinger Ära eine gewisse Zeit in Ägypten verbracht und dort seinen fachlichen Qualitäten einen Charakterzug hinzugefügt, der sich nur beim abendlichen Tschibuk, wahlweise mit Tabak oder Haschisch gefüllt, an den Ufern des Nil erwerben läßt: eine abgeklärte Gelassenheit, die ihn schnurstracks an die Seite von Sepp Herberger, Hennes Weisweiler und Dietrich Weise (nicht nur wegen des Namens) unter die fünf Weisen des deutschen Fußballs katapultierte.

Seit er aus Kairo wiederkehrte, verbreitet er einen Aura orientalischen Gleichmuts, an der sämtliche psychologischen Tricks der Konkurrenz einfach abprallen. Unerschütterlich glaubte er daran, daß sein Kismet die Meisterschaft war, und nur so konnte es ihm gelingen, die namenloseste Mannschaft seit Eintracht Braunschweig 1967 zum Titel zu führen.

Nur einmal verfiel er in alten Aberglauben. Als der DFB vor einer Woche schon mal die Meisterschale an den Betzenberg schaffen wollte, um sie nach dem erwarteten Sieg gegen Gladbach sogleich zu übergeben, bekam es Feldkamp mit okzidentalischer Angst und lehnte ab. Prompt verloren die Pfälzer und liefen erst wieder zur Höchstform auf, als sie die heißersehnte „Salatschüssel“ in Köln endlich leibhaftig vor sich sahen. Aber wie sagte schon Dietrich, der dritte Weise: „Würden im Fußball keine Fehler gemacht, ginge jedes Spiel 0:0 aus.“

Bleibt nur die Frage, wer denn wohl der fünfte Weise ist? Nun, Uli Hoeneß bislang wohl kaum. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Ein paar Jährchen Ägypten könnten da Wunder wirken. Matti