Das Auslaufmodell

■ Umweltminister Töpfer kann nicht ständig mit der Bundesweisungs-Keule kommen

Das Auslaufmodell Umweltminister Töpfer kann nicht ständig mit der Bundesweisungs-Keule kommen

Der Dauerstreit zwischen dem Bonner Atomaufseher Klaus Töpfer und den ausstiegswilligen Bundesländern hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn verweigert einer Fuhre radioaktiver Abfälle aus dem berüchtigten Atomzentrum in Mol (Belgien) die Einlagerung im bundesdeutschen Atomklo zu Niedersachsen. Frau Griefahn ist weder extrem ungezogen, noch provoziert sie. Sie tut nichts anderes, als den politischen Willen ihrer Wähler zu vollstrecken, die sich mehrheitlich für eine rot-grüne Landesregierung und damit auch für den Atomausstieg ausgesprochen haben.

Die Ministerin schützt zugleich die ihr anvertraute Bevölkerung vor Atomtransporten aus einer Fabrik, deren Spitzenkräfte vor einem Jahr wegen Betrugs, Schiebereien, Bestechlichkeit und illegaler Beseitigung radioaktiver Abfälle für die nächsten Jahre hinter Schloß und Riegel befördert wurden. Das Atomzentrum Mol darf ungestraft als kriminelle Vereinigung bezeichnet werden. Da das Atomgesetz die unbedingte Zuverlässigkeit aller im Atombereich beschäftigten Kräfte verlangt, kann die Ministerin den Atommüll aus der belgischen Skandalfabrik unmöglich annehmen. Dasselbe Gesetz verlangt ebenfalls eine schadlose Beseitigung der Atomabfälle. Auch davon kann keine Rede sein, da die strahlende Last angesichts weltweiter Entsorgungslücken lediglich in einer „Zwischenlager“ genannten, betonierten Fabrikhalle abgestellt werden soll. So hat die couragierte niedersächsische Umweltministerin alle guten Argumente auf ihrer Seite und wird in der Auseinandersetzung mit Töpfer doch den kürzeren ziehen. Mit seiner amtlichen Bundesweisung kann und wird Töpfer die Einlagerung durchsetzen. Bundesrecht bricht Landesrecht, was Papa Töpfer sagt, muß gemacht werden. Und trotzdem wird dieser Streit keinen Sieger haben. Dem Bonner Umweltminister muß allmählich klar werden, daß sich auf Dauer allein mit der Keule der Bundesweisung und einer Politik der Ultimaten gegen eine wachsende Zahl ausstiegswilliger Bundesländer schlecht Energiepolitik machen läßt. Morgen wird Joschka Fischer in Biblis ein riskantes Ventil entdecken, übermorgen Günther Jansen in Brokdorf ein Kügelchen im Reaktorsumpf. Und auch in Rheinland-Pfalz und Hamburg sitzen unsichere Atomkantonisten, ganz abgesehen von der unverändert stabilen antinuklearen Haltung der Mehrheit der Bundesdeutschen.

Es wird Zeit, daß die Bundesregierung dies zur Kenntnis nimmt. Die Atomindustrie hat dies längst getan und klugerweise auf ihre AKW-Neubaupläne in Greifswald und Stendal verzichtet. Der Dauerstreit wird so lange weitergehen, bis auch Klaus Töpfer erkennt, daß Atomkraft ein Auslaufmodell ist. Manfred Kriener