„Ihre Eierei bestürzt mich...“

■ Vor dem Café-Engel: taz-talk zur geplanten Fußgänerzone im Ostertor-Viertel

Von Donnerstag bis Samstag veranstalteten die BSAG und die taz eine Reihe von Informationsveranstaltungen zum ÖPNV-Konzept für das Viertel. Am Freitag waren Vertreter der Bürgerschafts-Fraktion zu Gast beim taz-Talk, um über ihre Positionen zur bremischen Verkehrspolitik und besonders zur Fußgängerzone im Viertel zu streiten.

taz: Herr Pflugradt, Herr Welke, Herr Sailer. Sagen Sie einmal knapp ihre Meinung zur SPD- Verkehrspolitik.

Helmut Pflugradt (CDU): Verkehrspolitik setzt voraus, daß man vorausschauend handelt und umsetzt. Da hat es bis vor eineinhalb Jahren überhaupt keine Konzepte gegeben.

Heinrich Welke (FDP): Der Hauptfehler war, daß man zuerst schlechtere Bedingungen für Autofahrer gemacht hat. Man hat versäumt, vorher das ÖPNV- Netz so auszubauen, daß für die 80.000 Berufspendler ein attraktives Angebot geschaffen wird.

Wolfram Sailer (Grüne): Die SPD- Verkehrspolitik der letzten Jahren war konzeptionslos, unentschlossen und bürgerfern. Das ÖPNV-Konzept, auch hier im Viertel, mußte gegen den Senat durchgesetzt werden.

Herr Pflugradt, Sie haben eine Kampagne gegen weiße Striche geführt. Haben Sie etwas dagegen, daß die Bahnen schneller und pünktlicher werden?

Pflugradt: Diese Schraffuren sind, so wie sie gemacht wurden, ein Schandfleck. Wir haben nichts dagegen, daß der Schienenbereich teilweise vom Individualverkehr befreit wird. Bloß: So wie man es gemacht hat, und ohne mit den Leuten vor Ort zu reden, war das nicht durchsetzbar.

Herr Welke: Sie haben Kritik an der Vergangenheit. Sind Sie

sich ansonsten mit der SPD einig?

Welke: Wir sind uns nicht so furchtbar fern. Aber der ÖPNV muß zu Lasten des motorisierten Verkehrs Vorrang haben.

Der grüne Abgeordnete Tiefenbach hat mal den Satz geprägt: Wenn die SPD eine neue Straßenbahnlinie fordert, wollen wir zwei. Ist das das grüne Konzept?

Sailer: Es gibt kein grünes Konzept für ganz Bremen. Da sind wir zu stark in den Gebieten geblieben, in denen wir verankert sind. Die Richtung allerdings, und da unterscheiden wir uns von allen anderen, ist, daß wir sagen: Es geht nicht, ohne daß man den Autofahrern weh tut.

Herr Barsuhn, steht die SPD hinter einem Satz wie: „Wir müssen Autos behindern, um die Bahnen durchkommen zu lassen“?

Reinhard Barsuhn: Nein. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Für den Ballungsraum Bremen ist der ÖPNV vernünftiger. Aber ich will das

Hier die

Karikatur

per Fax

Auto überhaupt nicht verteufeln.

Wir sitzen hier am Ostertorsteinweg. Wenn Sie eine Utopie von diesem Straßenzug entwerfen sollten, wie würde die aussehen?

Welke: Die FDP hat den Vorschlag gemacht, eine Einbahnstraßenregelung einzuführen, beginnend vom Sielwall jeweils in eine Richtung. Das würde das Viertel mit dem Auto erreichbar halten.

Barsuhn: Wir waren im unklaren, was wir mit den Menschen vor Ort durchsetzen können. Inzwischen haben viele Gespräche stattgefunden, so daß sich eine Meinung rausgebildet hat, von der ich vor einem Jahr überhaupt nicht überzeugt war. Mein Traum ist, daß dieser Straßenzug die Bahn durchläßt, aber die Möglichkeit findet, noch Autos fahren zu lassen. Eine reine Fußgängerzone hier würde das Viertel richtig verändern. Das will ich nicht.

Sailer: Der Straßenzug darf nur

noch dafür da sein, um Anwohner dort fahren zu lassen. Ihre Eierei, Herr Barsuhn, bestürzt mich!

Pflugradt: Für den Individualverkehr ist eine Einbahnstraßenregelung zu schaffen. Eine Fußgängerzone führt nur zu Belastungen der Nebenstraßen, das wird mittlerweile deutlich.

Anwohner: Herr Barsuhn, wenn jetzt daran gerüttelt wird, daß dieser Straßenzug vom Individualverkehr vollständig freigehalten wird, dann wird dieser sehr ausgewogene, aber wackelige Kompromiß zusammenbrechen.

Barsuhn: Wenn dieser Kompromiß nun beinhaltet, daß hier nur noch Taxen, Fußgänger und Radfahrer rumfahren, dann vertrete ich das mit. Ich sage Ihnen nur meine persönliche Auffassung: Das wird dieses Viertel nicht zufrieden stellen. Die Planungen müssen für die Zukunft veränderbar bleiben. Gesprächsführung:

Holger Bruns-Kösters