Finanzsenator verordnet Haushaltsdiät

■ Abgeordnete und Senatsmitglieder sollen mit dem Sparen bei sich selbst beginnen/ Pieroth erwartet Vorschläge von den Fachressorts/ Mittel für Zuwendungsträger um weitere zehn Prozent gekürzt

Berlin. Die 16 Mitglieder des Berliner Senats sowie die 241 Abgeordneten des Landesparlaments sollen mit dem Sparen bei sich selbst anfangen und auf fünf Prozent ihrer Gehälter und Bezüge freiwillig verzichten. Diesen Vorschlag, der die SenatorInnen im Schnitt 800 Mark kosten würde, präsentierte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) gestern zusammen mit einem ganzen Katalog an Kürzungsideen.

Am Samstag hatte sich die Stadtregierung fünf Stunden lang in Klausur begeben, um über den — so Pieroth — »dramatischen Handlungsbedarf« in der Berliner Haushaltspolitik zu beraten.

Neben einer im Vergleich zu diesem Jahr »fast unveränderten« Neuverschuldung sei es nötig, im nächsten Jahr etwa drei Milliarden Mark einzusparen, kündigte Pieroth an. Weitere vier Milliarden müsse der Senat im darauffolgenden Jahr einsparen.

Erst ab 1995 könnten höhere Steuereinnahmen die Lücken stopfen, die in den nächsten Jahren durch wachsende Ausgaben und sinkende Bonner Zuschüsse gerissen würden. Pieroth erwartet deshalb bis August von seinen Senatskollegen Vorschläge für Einsparmöglichkeiten in deren jeweiligen Fachressorts. Der Finanzsenator selbst stellte bereits gestern ein umfangreiches Sparprogramm vor, das von einigen Gruppen weit mehr abfordert, als eine fünfprozentige Kürzung:

Die Mittel für Zuwendungsempfänger des Senates, zu denen neben den Hochschulen, BVG und BVB auch zahllose freie Träger und Projekte im sozialen Bereich zählen, sollten um weitere zehn Prozent gekürzt werden. Bereits in diesem Jahr waren diese Gelder im Westteil der Stadt im Schnitt um 11,5 Prozent gesenkt worden.

Der Bau von Sozialwohnungen im sogenannten ersten Förderungsweg, bei denen die Miete vergleichsweise niedrig ist, soll zugunsten der — für die Mieter teureren — Wohnungen des zweiten und dritten Förderungsweges eingeschränkt werden. »Denkbar« ist für Pieroth daneben auch eine Erhöhung der Fehlbelegungsabgabe für Besserverdienende in Sozialwohnungen von jetzt maximal zwei auf vier Mark pro Quadratmeter. Die bisherigen, »günstigen« Einkommensgrenzen sollten wegfallen.

Bei BVG und BVB soll nicht nur rationalisiert werden. Es müßten auch die eben erst erhöhten Tarife und das »Leistungsangebot« überprüft werden.

Langzeitstudenten sollen »Kostenbeiträge« abführen.

Die Eintrittspreise in den kulturellen Einrichtungen der Stadt sollten im Schnitt um zehn Prozent angehoben werden.

Pflegegeld soll nur noch gezahlt werden, wenn eine »tatsächliche Bedürftigkeit« gegeben ist. Beim Erziehungsgeld dürfe es keine Leistungsvorsprünge gegenüber der Bundesregelung mehr geben.

Mittel für Investitionen sollen grundsätzlich in die östlichen Bezirke umgeschichtet werden, »ein Teil« der Gesamtsumme müsse eingespart werden.

Die Erbbauzinsen und die Grundsteuer könnten erhöht werden, denkbar sei auch die Einführung von Vergnügungs- und Bootsmotorensteuern. Der von der SPD geforderte höhere Satz für die Gewerbesteuer müsse »geprüft« werden, könne aber im nächsten Jahr noch nicht eingeführt werden.

Die Verwaltung müsse reformiert werden, 23 Stadtbezirke könne sich die Stadt »nicht länger leisten«.

Ein bis zwei Milliarden Mark ließen sich durch den Verkauf von Teilen des Landesvermögens einnehmen. Pieroth nannte in diesem Zusammenhang landeseigene Grundstücke sowie die Berliner Gaswerke. 49 Prozent der Anteile könnten verkauft werden, sobald die Gasag im Westen und die Erdgas AG im Osten zusammengelegt seien.

Sparvorschläge zum Personaletat der Landesbehörden und zu der personell ebenfalls überdurchschnittlich bestückten Polizei machte der Finanzsenator gestern nicht.

Es sei Aufgabe des Innensenators, hierzu Vorschläge zu machen. Im nächsten Jahr könnten wohl noch keine 20.000 Stellen gekürzt werden, mittelfristig müßten es eher mehr sein. hmt