Rot-Grün droht Gorleben-Räumung an

„Möglichst schonend und gewaltlos“ soll Platz geschaffen werden für — erstmal — drei Fässer Atommüll  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Vor dem Gorlebener Zwischenlager bahnt sich die erste Konfrontation zwischen der rot-grünen Landesregierung in Hannover und der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg an. Im Umweltministerium in Hannover war man gestern fest entschlossen, demnächst in Gorleben die drei Container einzulagern, die seit Tagen in Lüchow auf Polizeigelände geparkt sind. „Nach der Weisung des Bundesumweltministers bleibt uns keine andere Wahl, als die Einlagerung umzusetzen“, sagte gestern die Sprecherin des Landesumweltministerium. Genauso „fest entschlossen“ — allerdings die Einlagerung zu verhindern — sind weiterhin die Blockierer vor dem Zwischenlager, deren Zahl gestern auf dreihundert anwuchs. „Wir werden uns dem Diktat von Bundesumweltminister Töpfer nicht beugen. Wir weichen nicht von der Stelle“, erklärte der Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg.

Bereits bis zum gestrigen Mittag hatte das Landesumweltministerium die Forderungen aus Töpfers „bundesaufsichtlicher Weisung“ erfüllt und die juristische Voraussetzung für die Einlagerung aller drei Container in Gorleben geschaffen: Das Einlagerungsverbot für den Container aus Mol mit zehn Kubikmeter Atommüll ungeklärter Herkunft wurde aufgehoben. Gleichzeitig wurden ein Referatsleiter aus dem Umweltministerium und der Präsident der Lüneburger Bezirksregierung zu Gesprächen mit den Blockierern ausgeschickt. „Wir hoffen, daß die Atomkraftgegner vor dem Zwischenlager unsere schwierige Situation verstehen“, sagte die Sprecherin des Umweltministerium gestern und fügte hinzu: „Wenn allerdings bei den Blockierern keine Einsicht für unsere Zwangslage zu erreichen ist, dann steht die möglichst schonende und gewaltlose Räumung ins Haus.“ Messungen des Gewerbeaufsichtsamt an den Containern auf dem Gelände der Lüchower Polizeikaserne hätten allerdings ergeben, daß die Behälter ohne Gefahr für die Umgebung dort durchaus noch einige Tage stehen bleiben könnten.

Die BI Lüchow-Dannenberg erteilte gestern den Vermittlungsbemühungen der Emissäre aus Hannover und Lüneburg schon vorab eine Absage. „Wir werden den Unterhändlern mit auf den Weg geben, daß die Einlagerung der Container in Gorleben politisch nicht durchsetzbar ist“, sagte BI-Sprecher Ehmke. Ehmke verlangte von der Landesregierung, „politische Phantasie zu entwickeln, um die Einlagerung zu verhindern“. Die Blockadeaktion richte sich außerdem vor allem gegen die Politik Klaus Töpfers. Die Einfahrt zum Zwischenlager war gestern weiterhin mit Baumstämmen und zehn Traktoren blockiert. Für die nächtliche Wache am Lager hatten zahlreiche Besetzer Zelte aufgeschlagen. Im zwanzig Kilometer entfernten Lüchow war die Hälfte der Schüler einer der Polizeikaserne benachbarten Grundschule nicht zum Unterricht erschienen. Statt dessen demonstrierten in der Stadt Eltern und Schüler für den sofortigen Rücktransport des Atommülls nach Mol.

„In Übereinstimmung mit der Gewerkschaft der Polizei“ verlangte gestern noch einmal der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempman „den sofortigen Rücktransport des Mol-Containers nach Belgien“. Der bei Lüchow beheimatete Abgeordnete wandte sich entschieden gegen eine Räumung der Blockade vor dem Zwischenlager. „Gegen den Willen der Bevölkerung kann man in Gorleben keinen Skandalmüll einlagern“, sagte Kempmann. Gegenwärtig sei auch kein anderes Bundesland, ob CDU- oder SPD-regiert, bereit, Atommüll ungeklärter Herkunft aus Belgien aufzunehmen. Die Einlagerung in Gorleben widerspreche sogar einem auf Antrag der CDU gefaßten Beschluß des Kreistages von Lüchow-Dannenberg.

Wie das Bundesumweltministeriums gestern mitteilte, sollen in den nächsten 20 Monaten etwas mehr als 300 Kubikmeter des weiland illegal im belgischen Atomzentrum Mol eingelagerten Nuklearabfalls zurückgenommen werden — das 30fache des strittigen Mol-Containers.