Denkmalpflege hat gepennt

■ Teil-Abriß der HAG-Fabrik: Fehlender Denkmalschutz schon seit 1990 bekannt

Im Juli 1990 sprach Bremens Bildungssenator Henning Scherf mit einigen höheren Herren darüber, daß die Fabrikgebäude von Kaffee HAG im Holzhafen unter Denkmalschutz gestellt werden müßten. Auch der Leiter des Bremer Landesamtes für Denkmalpflege, Hans-Christoph Hoffmann, war dabei. Aktiv geworden ist Denkmalschützer Hoffmann seitdem aber nicht. Im Gegensatz zu Kaffe HAG: Seit drei Wochen läßt die Firma einen Teil ihres Gebäudes abreißen.

Die alten Fabrikgebäude im Holzhafen hinter dem Waller Friedhof waren zu Anfang des Jahrhunderts nach Planungen des Architekten Hugo Wagner gebaut worden und gelten als Marksteine der modernen Architektur in Bremen. Vor zwei Jahren genehmigte das Bauordnungsamt den Abriß. Ob die Leute von der Bauordnung den Denkmalschutz darüber informierten, ist nicht klar. Peter Hahn vom Amt für Denkmalschutz: „Die Akte wurde uns aus Versehen nicht zugeleitet.“ Daß seine BaukollegInnen ihn bewußt im Dunkeln ließen, kann Hahn sich nicht vorstellen. Eigentlich müssen grundsätzlich alle Abrisse vorher über den Tisch des Denkmalschutzes wandern.

Selbst wenn Denkmalschützer Hoffmann über den bevorstehenden Abriß nicht informiert war, hätte er nach dem Gespräch mit Senator Scherf in die Gänge kommen müssen. Zwei Mitglieder der Initiative „Bremer Stadtbild“ wiesen die Kulturoberen auf die ungesicherte Zukunft der HAG- Fabrik hin. Bei dem Gespräch im Juli 1990 hielt Henning Scherf die Hallen für schutzwürdig. Auch Denkmalpfleger Hoffmann habe das so gesehen, erinnert sich der Pressesprecher des Senators.

Hoffmanns Vertreter Peter Hahn erklärt die Untätigkeit seines Amtes jetzt mit der schlechten Personalsituation. Hahn: „Wir können uns nicht dritteln und vierteln.“

Und noch eine weitere Entschuldigung hat Peter Hahn parat. Es sei noch gar nicht klar, ob der Teil der Fabrik, der gerade abgerissen wird, tatsächlich von Hugo Wagner stamme. Diese Frage prüfen die DenkmalpflegerInnen jetzt. Das Ergebnis wird am Abriß nichts mehr ändern. Die Fassade fehlt schon, übrig geblieben ist ein Gewirr aus Stahl und Beton.

Holger Maraun von der Initiative „Bremer Stadtbild“ ist sich dagegen ziemlich sicher, daß das zerstörte Gebäude am Fabrikenufer von Hugo Wagner stammt. Dieser Teil wurde zwar später gebaut als der Rest, aber Wagner- Spezialist Maraun glaubt, durch einen Vergleich der Baustile die Urheberschaft eindeutig ermittelt zu haben.

Und was passiert weiter? Bausenator Kunicks Sprecher Rainer Imholze meint, mit dem Abreißen sei jetzt Schluß. Für die heute noch intakten Teile der HAG- Fabrik liege keine Abrißgenehmigung vor, und es werde auch keine mehr geben. Auch da ist Holger Maraun anderer Meinung: ursprünglich geplant gewesen sei der Abriß des ganzen Komplexes.

Seit ein paar Tagen bewegt sich auch die Denkmalpflege: Es gebe Kontakte zu HAG und seinen Eigentümern (Jacobs-Suchard, Tochter des US-amerikanischen Morris-Konzerns), um die Abrißbirne zu stoppen.

Der Morris-Konzern allerdings plant, alles wegzuhacken. Es gibt auch schon eine Baugenehmigung für Neubauten. Einstweilen soll das leere Terrain brachliegen — bis irgendwann Erweiterungsflächen gebraucht werden.

Hannes Koch