PORTRAIT
: Lebensretter für die Mutterlandspartei?

■ Der künftige türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz soll die Spaltung der Regierungspartei verhindern

Berlin (taz) — In größter Not ist selbst der türkische Staatspräsident Turgut Özal bereit, ein Stückchen von der Macht abzugeben. Nur rund ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen steht seiner „Mutterlandspartei“ (ANAP), die das Land seit 1983 regiert, das Wasser bis zum Hals. Intern zerreibt sich die 1980 gegründete Regierungspartei in heftigen Kämpfen zwischen den ideologisch weit auseinanderklaffenden Flügeln. Gleichzeitig geht ihre Sympathiekurve beim Wahlvolk steil nach unten.

In solcher Bedrängnis erinnerte sich die Mutterlandspartei an den erfolggewohnten und ehrgeizigen Mesut Yilmaz: Am Wochenende wählten der liberale Flügel wie auch die früheren Mitglieder der „Grauen Wölfe“ (MHP), die heute in der ANAP sitzen, den 43jährigen zum Parteivorsitzenden. Am Montag beauftragte Özal den Liberalen erwartungsgemäß mit der Bildung einer neuen Regierung.

Schon einmal hatte Yilmaz sein Interesse signalisiert, Parteivorsitzender zu werden. Özal lehnte das Begehren des damaligen Außenministers ab, worauf Yilmaz die Regierung verließ. Das war vor einem Jahr. Damals durfte der farb- und konturenlose Ministerpräsident Yildirim Akbulut, ein Kandidat von Özals Gnaden, weiter im Amt bleiben. Der Staatspräsident aber mischte sich zunehmend in die Regierungsgeschäfte in In- und Ausland ein. Akbulut mauserte sich derweil als Ministerpräsident zum Hauptangriffsziel türkischer Humoristen. Die Witze über seine Tolpatschigkeit füllen mehrere Bände.

Heute ist Yilmaz in der stärkeren Position. Seine Kandidatur wurde von Özals Gattin Semra, die gerade den prestigeträchtigen Vorsitz der Mutterlandspartei in Istanbul errungen hat, ganz offensiv auf dem Parteitag der ANAP unterstützt. Auch Sohn und Tochter der Özals taten es ihr gleich. Knapp einen Monat vor dem Parteitag hatte Yilmaz, der zu dem Zeitpunkt kein Regierungsamt hatte, schon eine Reise zu den amerikanischen Verbündeten gemacht, wo er er an der Parade zum Türkei-Tag teilnahm und mit Regierungsvertretern zusammentraf. — Yilmaz, der Politologie an den Universitäten in Ankara und Köln studiert hat, ist ein politischer Senkrechtstarter. 1980 war er einer der Gründer der Mutterlandspartei — ein Sammelbecken für Liberale, Fundamentalisten, gemäßigte Linke, darunter auch einige Kurden und ehemalige Faschisten. In seiner Jugend war auch Yilmaz als Mitglied der faschistischen MHP aktiv gewesen. Nach 1983 bekleidete er verschiedene Regierungsämter, 1987 wurde er Außenminister.

Vor seiner politischen Karriere hatte Yilmaz, der fließend Englisch und Deutsch spricht, sich bereits als erfolgreicher Geschäftsmann betätigt. Jetzt muß er ein krisengeplagtes Land managen. Dabei wird er versuchen, die Türkei baldmöglichst zum Mitglied der EG zu machen und die atlantische Bindung nicht aus dem Auge zu verlieren. Auf innenpolitischem Gebiet hat Yilmaz sich noch wenig profiliert. In seinem künftigen Kabinett werden voraussichtlich weniger islamische Fundamentalisten sitzen als bisher. dora