Haider setzt auf Volkes Stimme

■ Wiener Bundesregierung stellt Mißtrauensantrag/ FPÖ-Chef will nicht zurücktreten/ CSU-Streibl nannte Haider „Hoffnungsträger“/ FDP schweigt — Liberale Internationale debattiert Affaire

Berlin (taz/afp/dpa) – Erstmalig seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat die österreichische Bundesregierung dem Regierungschef eines Bundeslandes das Mißtrauen ausgesprochen. Anlaß war das Lob des Kärntner Landeshauptmanns und FPÖ- Chefs, Jörg Haider, für die nationalsozialistische Beschäftigungspolitik. In der Regierungserklärung forderte gestern die Wiener Koalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und Konservativen (ÖVP) den Landeshauptmann auf, „im Interesse Österreichs und Kärntens in der Welt“, zurückzutreten.

Der Mißtrauensantrag hat jedoch nur symbolischen Charakter, da Haider von einem Landtag gewählt wurde, worauf die Bundesregierung keine juristische Handhabe besitzt. Auch die politischen Allianzen verlaufen auf Kärntner Landesebene anders. Dort nämlich bildet die in Wien so kritische ÖVP eine Koalitionsregierung mit Haider. Der dortige ÖVP-Vorsitzende Zernatto sprach sich zwar auch für Haiders Rücktritt aus, bot ihm jedoch versöhnlerisch den Posten eines Vize-Regierungschefs an. Ein Aufkündigen der Koalition und eine Regierungsneubildung mit der SPÖ ziehen die Konservativen nicht in Betracht.

Haider selbst ist zu keinem Zugeständnis bereit. Er beschränkt sich darauf, einzuräumen, daß seine Äußerung „verunglückt“ sei. Die heftigen Reaktionen seien eine „Hexenjagd und eine politische Hinrichtung durch die vereinigten rotschwarzen Kräfte“. An einen Rücktritt denkt er nicht. Die FPÖ-Landesleitung erklärte siegesgewiß, sie werde Neuwahlen beantragen, falls die ÖVP die Koalition aufkündige.

Haiders bundesrepublikanische Schwesterpartei, die FDP, hüllt sich unterdessen in vornehmes Schweigen. FDP-Sprecher Goebel erklärte in Bonn, es handele sich um eine „innerösterreichische Angelegenheit“. Auf Antrag von schweizer und niederländischen Liberalen kommt die Dachorganisation „Liberale Internationale“ bei ihrer Tagung Anfang Juli aber nicht um eine Debatte über Haider herum.

Wogen schlägt die Haider-Affaire jetzt schon in Bayern. Dorthin hatte der CSU-Hardliner und Umweltminister Peter Gauweiler im April den FPÖ-Chef eingeladen. Haider hatte bei der Gelegenheit unter anderem seinen antipolnischen Ressentiments Luft gemacht. Der bayerische Ministerpräsident Max Streibl bezeichnete Haider damals als „Hoffnungsträger“, der genausogut bei der CSU sein könne. „Im Interesse Bayerns“, hat der SPD-Landtagsabgeordnete Max von Heckel gestern Streibl und Gauweiler dringend aufgefordert, sich unverzüglich und in aller Form von Haider zu distanzieren. dora/Bs