Arbeitsbeschaffung per Zauberformel

■ Ein Bundesland bereitet sich mit kläglichen Mitteln auf die Massenarbeitslosigkeit vor/ Keine Wirtschaftskonzepte in Sachsen-Anhalt/ Bonn bietet nur ABM/ Landräte bilden „Aufbaustäbe“

Halle/Magdeburg. In Sachsen-Anhalt gehören Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) zu den beliebtesten Mitteln der Arbeitsmarktpolitik. Im Mai startete Bundesarbeitsminister Norbert Blüm in Bitterfeld persönlich ein „ABM-Megaprojekt“, wie er es nannte. Rund 2.100 Beschäftigte sollen aus der Braunkohlenregion eine Landschaft mit Naherholungsgebieten, Industrie- und Siedlungsflächen machen. In Magdeburg kann die Gesellschaft für Arbeitsbeschaffung und Bildung (GAB) ihre Arbeit aufnehmen: Bis Jahresende sollen 2.000 ABM- Kräfte eingestellt werden. Dreieinhalb Monate nach ihrer Gründung sind in der Bitterfelder Qualifizierungs- und Projektierungsgesellschaft rund 850 Frauen und Männer beschäftigt, 2.000 sollen es noch 1991 werden. Sie werden alte Anlagen in der Chemie AG demontieren und das Terrain für eine andere Nutzung vorbereiten. In der Walzwerk Hettstedt AG sind seit Anfang Juni 35 Walzwerker in ABM mit der Verschönerung von Gebäuden und der Schaffung eines Gewerbegebietes zugange. Doch bis April waren nur 3.500 Arbeitslose in ABM gegangen, berichtet das Wirtschaftsmagazin 'Horizonte‘. Inzwischen gibt es nach Angaben des Magdeburger Sozialministeriums in Sachsen-Anhalt 20.000 ABM-Stellen. Noch in diesem Jahr werde die doppelte bis dreifache Anzahl angestrebt, sagte Presseprecher Stefan Klinger. Insgesamt gibt es in Ostdeutschland derzeit 114.000 ABM-Stellen, rechnete Bundesarbeitsminister Blüm vor, das reiche insgesamt für 280.000 Stellen. Unterdessen werden jedoch auch kritische Töne gegenüber Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen lauter. Umfang und Praxis der ABM- Programme müßten „zunehmend als gefährliches Hemmnis für Arbeitsplätze und Aufschwung“ angesehen werden, unterstrich das FDP-Präsidium. Für die Lösung dieses Problems will sich beispielsweise der Dessauer ABM-Aufbaustab engagieren. Er hat die Warnung von IHK und Wirtschaftsjunioren, daß ABM nicht in Konkurrenz zur freien Wirtschaft geraten dürfen, nicht überhört. Der Aufbaustab sucht verstärkt nach Wegen, wie ABM in absehbarer Zeit in feste Arbeitsplätze überführt werden können. Jetzt müsse es jedoch darum gehen, einer Massenarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. So jedenfalls sieht es der Hettstedter Landrat Hans-Peter Sommer. Zum 30.Juni, so schätzt er, wird sich die Zahl der Erwerbslosen im Kreis um mindestens 1.700 erhöhen. Der Landrat bildete einen ABM-Aufbaustab, an dem Betriebe der Landkreise Eisleben und Hettstedt, Gewerkschaften sowie Vertreter der Kirche und anderer öffentlicher Organisationen mitwirken. Dirk Furchert/adn