Ach Übersee-Museum!

■ Groß-Peters große Schau: geschlossene Gesellschaft oder goldenes Gemeinwohl?

Was macht eigentlich das Übersee-Museum so? Achgott, was ein Übersee-Museum eben so macht: stellt eben Kreml-Gold aus. Und sonst so? Naja, da fluktuieren jetzt eben so Schulschafe mit Hütelehrern und Ehepaare aus Bussen oder Niedersachsen. Abends, wenn alle weg sind, tanzen geladene Managermäuse zwischen den Vitrinen, die sind von Mercedes oder der Bremer Landesbank und dürfen das. Wegen dem Wirtschaftsfaktor. Die Abende (20 Uhr, open end) kann man mieten, das Stück zu DM 900.—, Führung kost' extra. Von 86 Abenden sind erst 30 verkauft, bleiben 56, wär' das nix für Ihre Firma? Das Hotel zur Post zaubert auch gegen Bezahlung Sekt-Buffets herbei und ist selbst auf der Höhe mit einer Peter-Karte voll Moskwa-Krabben und Hering à la Wolga, was auch nur ein Hausfrauensalat ist.

Man soll nicht immer kleinkariert sprechen über unser großartiges Museum! Ist doch alles nur wegen der „regionalhistorischen Identität“, die ein Bremer Museum verpflichtet ist, unter uns herzustellen!! Sagt jedenfalls das neue Bremer Kulturprogramm 1992-1995 unter dem Stichwort Museen. Eine Zielsetzung, die erfordert! Und zwar „höchste Qualitätsansprüche (...), Experimentierfreudigkeit bei Ausstellungskonzepten und Einfallsreichtum in der Museumspädagogik“; zusätzlich erfordert die Zielsetzung aber auch noch „weltumspannende Vielfalt“ der Abteilungen. Wahrscheinlich wieder irgendwas mit Gold gemeint — oder etwa die Abteilung Handelskunde unter'm Dach, juchhu, die noch nie einer gesehen hat? Soll seit '78 umgestaltet werden. Solange schon müssen unter „Wolle“-Schildern Schafe wie zur Strafe stehen.

Immerhin darf hier oben die Museumspädagogik ihr trotziges Kontrastausstellüngchen „Bremen zur Zeit Peters des Großen“ verstecken; vorsichtshalber in keinem Hochglanzprogramm fixiert. Kann man für einen Etat von DM 2000.— aus museumsfernem Töpfchen (vergleiche: Peter der Große- Etat: 6 Mio., Museums-Etat '91: 4,1 Mio.) auch nicht verlangen. Zusammen mit dem Jugendkutterwerk werden trotzdem Schulklassen sinn- und liebevoll an die peterentsprechende Zeit des Weserkahns, der für Bremens Handel segelführend war, herangeführt. Auch darf — „voll geil ey“ — gehobelt werden. Die Massen zockeln derweil einen Stock tiefer in Peters grabkämmerliche Gold- Schau: bis zum 18. Ausstellungstag sollen's 30 711 gewesen sein, pro Tag 1783, was im Vergleich zum 89er Kreml-Gold 139 Personen weniger sind. Aha. Und jetzt?

Blick zurück ins Kulturprogramm: am erforderlichsten fürs Übersee-Museum ist demnach die seit den 70ern geplante „Vollendung der Neueinrichtung“ der Darstellung der „Lebensbedingungen der Menschen in ihren natürlichen, geschichtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen...“. Hoffentlich versteht das jetzt auch keine der 110 MitarbeiterInnen, die immer noch auf zusammenhängende Arbeitsbedingungen und Einlaß in die Peter-Ausstellung warten. Bloß einige in Gnade Verfallene hatten bisher einmal freien Eintritt.

Eventuell gut, daß bald die neue Direktorin kommt, wie hieß sie noch gleich? Richtig: Dr. Viola König-Brinker, die sich immer noch von ihrer Überraschung, die Stelle bekommen zu haben, erholt. Momentan verhandelt sie zäh mit Bremen, erst am 1.1.92 statt am 1.8.91 anfangen zu müssen. Dr. König-Brinker zur taz: „Ich kämpfe um jeden Tag!“ Das jüngste Kind (von drei) liege schließlich noch in den Windeln und ein Nachfolger sei ins Hannover'sche Landesmuseum einzuarbeiten. Eine hübsche Vorstellung, ich gestehe, daß sich Herr Hoffmann, Kulturbehörden-Leiter, mit Windelschiß befassen muß. Selbstverständlich ist auch das Gerücht unwahr, Frau Dr. habe sich nach einer halben Stelle erkundigt. Trotzdem, Frau Kapitän König-Brinker, kommen Sie schnell! Oder auch schneller! Claudia Kohlhase