Linke erwarten „soziale Anarchie“

■ Nicaraguanisches Parlament verschiebt Gesetz über die Rückgabe von enteignetem Großgrundbesitz

Managua (afp/taz) — Eine Rückgabe des von den Sandinisten enteigneten Landes an seine ehemaligen Besitzer wird es vorerst nicht geben. Dies beschloß das nicaraguanische Parlament nach heftigen Protesten der Bevölkerung am Dienstag. Wie Parlamentspräsident Alfredo Cesar zur Begründung der Verschiebung des geplanten Gesetzes anführte, wollten die Abgeordneten die sozialen Spannungen im Lande nicht weiter verschärfen.

Das umstrittene Restitutionsgesetz richtet sich gegen die Enteignungen, die die Sandinisten in den achtziger Jahren sowie kurz vor der Amtsübernahme von V. Chamorro durchgeführt hatten. In einem formal nicht legalisierten Prozeß waren damals Großgrund- und Regierungsbesitz an Kleinbauern und Parteimitglieder verteilt worden.

Auf die Rückgabeforderungen der ehemaligen Besitzer reagierten Hunderte von Siedlern mit der Besetzung einer Straße im Süden Nicaraguas. Am Dienstag morgen besetzten bewaffnete linke Gruppierungen die Amtsräume der Bürgermeister von Managua, Mayaya, Nandaime und Ciudad Sandino. Wie ein Sprecher der Gruppe mitteilte, sei dies erst der Auftakt zu „massiven Protesten“. Überall im Lande, vor allem aber in der Hauptstadt Managua, war die Stimmung gespannt. In Erwartung von Demonstrationen ließ die Polizei das Parlamentsgebäude weiträumig absperren. Eine Protestaktion fand jedoch auch hier statt: Die Abgeordneten der Sandinisten weigerten sich, an der Gesetzesdebatte teilzunehmen und verließen den Sitzungssaal. S.Ramirez, der Vorsitzende der Fraktion, sagte, daß die Aufhebung der Enteignung „dem Land politische Instabilität bringen werde“. Gleichzeitig zeigte die Gesetzesdiskussion nach Meinung von Beobachtern jedoch auch Unstimmigkeiten zwischen der regierenden UNO-Allianz und dem Parlamentspräsidium. Während dieses ein Schiedsgerichtsverfahren zur Lösung der Eigentumskonflikte fordert, sehen besonders die extrem konservativen UNO-Mitglieder dies als eine Schwächung ihrer Machtposition. her