Die Taubenkiller

In der griechischen Haupstadt Athen sucht die Polizei einen Massenmörder. In den letzten zwei Wochen hat der unbekannte Täter etwa 300 Tauben vergiftet. Allein letzten Freitag wurden 60 Kadaver vor der Nationalbibliothek gefunden. Die Beamten fahnden jetzt nach einem ca. 70jährigen Mann. Ein anonymer Anrufer hatte der Polizei erzählt, die Tauben seien krepiert, nachdem sie das Futter gefressen hatten, das der Alte in einem Taschentuch liegen gelassen hatte. Bereits Anfang letzter Woche war eine 63jährige Rentnerin unter dem Verdacht des Taubenvergiftens festgenommen worden, als sie beim Vogelfüttern beobachtet wurde. Weil sich der Verdacht nicht bestätigte, mußte die Oma aber wieder freigelassen werden.

In der Halle des Memorials von Douaumont bei Verdun erinnert zur Zeit eine Ausstellung an einen weitaus größeren Massenmord an vierbeinigen und gefiederten Freunden. Im Ersten Weltkrieg mißbrauchte man Pferde und Esel, um Kriegsmaterial zu schleppen, Hunde mußten Verletzte suchen und Ratten aus den Schützengräben fernhalten, Brieftauben waren gezwungen, Frontnachrichten zu überbringen. Die Ausstellung schildert anhand von Fotos, Briefen oder amtlichen Bekanntmachungen, wie der nackte Affe sich die unterschiedlichen Fähigkeiten der Tiere für seine mörderische Perversion zunutze machte. Allein die damals noch wenig motorisierte russische Armee „verschliß“ während des Ersten Weltkriegs rund 20 Millionen Pferde. Die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich setzten „gut ausgebildete Pferde, die den Kanonendonner nicht scheuten“, vorwiegend als Lastenträger ein. Ihre durchschnittliche Lebensdauer an der Front betrug 20 bis 30 Tage. Als Pferde knapp wurden, setzte man Esel und Maultiere ein. Den Einsatz der Pferde würdigt heute ein blödes Denkmal in der nordfranzösischen Somme.

Schier unersetzlich waren die Brieftauben. Die französische Armee hatte im November 1918, am Ende des Krieges, 30.000 Tauben im Einsatz, auf deutscher Seite waren es vermutlich genauso viele. Die mit Gasmasken ausgerüsteten Vögel, die es auf Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern brachten, hatten alle möglichen Feldnachrichten zu übermitteln. Dem berühmtesten der gefiederten Zwangsbotschafter, der die letzte Nachricht der Verteidiger des Fort de Vaux bei Verdun überbrachte, haben sie eine Gedenkplatte installiert, von der jede Woche sorfältig der Taubendreck abgekratzt wird. Karl Wegmann