Liselotte Funcke mag nicht mehr

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung zieht nach zehn Jahren die Konsequenz aus der Gleichgültigkeit gegenüber Problemen der hier lebenden Ausländer/ Kritischer Brief an Helmut Kohl  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — Liselotte Funcke macht wahr, was sie in letzter Zeit immer öfter angedeutet hatte: Nach zehnjäriger Tätigkeit tritt die Ausländerbeauftragte am 15. Juli zurück.

In einem am Mittwoch in Bonn veröffentlichten Rücktrittsschreiben an den Bundeskanzler Helmut Kohl macht die 72jährige FDP-Politikerin vor allem die Bundesregierung für ihre Entscheidung verantwortlich.

„Eine Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, die kaum Kontakt zur Regierung und ihren Entscheidungen hat, kann trotz aller Bemühungen die Erwartungen nicht erfüllen, die von der deutschen und ausländischen Bevölkerung und von den Gesprächspartnern im Ausland mit Recht an ein solches Amt gestellt werden“, so Frau Funcke. Und: Ermutigungen zur Integration der mehr als vier Millionen ausländischen Mitbürger in Deutschland seien ebensowenig zu erkennen, wie wirksame Maßnahmen und Schutz gegen fremdenfeindliche Jugendbanden.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Fremdenfeindlichkeit in der ehemaligen DDR, beklagt die Ausländerbeauftragte im einzelnen, daß ihr trotz der zusätzlichen Aufgaben in den neuen Bundesländern keine einzige Planstelle mehr bewilligt worden sei.

Überhaupt fehle der herrschenden Ausländerpolitik ein politisches Konzept. Auch in diesem Brief fordert Liselotte Funcke eine Regierungsstelle für Ausländerfragen und eine ständige Komission für Migration und Integration.

Neben aller Kritik an der Regierung gewinnt die Ausländerbeauftragte ihrem Rücktritt auch eine gute Seite ab: „Ich gebe mein Amt nicht zuletzt auch darum zurück, damit Anlaß besteht, die Integrations- und Migrationspolitik sowie die Gestaltung, Ausstattung und Abstützung des Amtes neu zu überdenken.“

Von Funckes Parteifreunden gab es Bedauern und sanften Tadel für den Rücktitt: Er komme zur Unzeit, nämlich „zu einem Zeitpunkt, in dem sich neue Probleme in den neuen Bundesländern stellen“. Dies ließ etwa Burkhard Hirsch innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion wissen.

Dennoch kritisierte er auch Helmut Kohl dafür, daß er sich Gesprächen mit der Ausländerbeauftragten verweigert habe. SPD und Grüne bedauerten in Bonn den Rücktritt Frau Funckes.

Mit ihrem „bemerkenswerten Engagement“, so die Sprecherin der Sozialdemokraten, sei Funcke stets eine verläßliche Ansprechpartnerin für ausländische Mitbürger gewesen.

Angelika Beer, Beisitzerin im Bundesvorstand der Grünen, bezeichnete den Rücktritt als „notwendige Konsequenz einer gescheiterten Ausländerpolitik der Regierung“.