Kinder brauchen Kinder

Während Landtags-Ausschüsse das Kita-Gesetz diskutierten, schufen die Kommunen Tatsachen  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Ein Kindergartenplatz in der sächsischen Landeshauptstadt kostet seit Mai monatlich 110 DM. Familien mit einem Nettoeinkommen unter 3.000 DM zahlen 90 DM; verdienen sie weniger als 1.500 DM, müssen sie 50 DM für ihren Kindergartenplatz zahlen.

Die Stadtverwaltung von Bautzen will zum 1. Juli Krippenerzieherinnen und Kindergärtnerinnen arbeitslos melden und vom Arbeitsamt über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gleich wieder einstellen lassen. Während die Ausschüsse des Landtages über das Kita-Gesetz diskutierten, haben die Kommunen Tatsachen geschaffen. Selbst die vom sächsischen Sozialminister Hans Geisler (CDU) im Februar an alle Kommunen gegebenen Empfehlungen über die Finanzierung von Einrichtungen für Kinder blieben Makulatur. Darin waren die Elternbeiträge zwischen 60 DM für das erste Kind einer Familie und 40 DM für das erste Kind Alleinerziehender bis zum Gratisplatz für das dritte Kind gestaffelt. Geisler befand damals, daß die „empfohlene Elternbeteiligung von der ganz überwiegenden Mehrheit der Eltern und Träger als angemessen und zumutbar empfunden wird“.

Auch der im April vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf sah noch vor, sowohl die Zahl der Kinder in einer Familie als auch „das Einkommen der Eltern und den jeweiligen Familienstand“ zu berücksichtigen. Schließlich drückt sich der vom Sozialausschuß für die gestrige Plenardebatte vorgelegte Gesetzentwurf galant um solche sozialen Regelungen herum. Eltern zahlen in Kindergärten 25 Prozent und in Kinderkrippen 20 Prozent der Betriebskosten, heißt es darin. Wird eine Staffelung der Beiträge vorgenommen, muß die Kommune gegenüber dem Träger der Einrichtung für die Verluste aufkommen. Das Land ist fein raus, und der Bund sowieso. Bonn über den 30. Juni hinaus über eine Initiative im Bundesrat zur Kasse zu bitten, diesen Gedanken haben das sächsische Sozialministerium und die CDU-Mehrheit im Sozialausschuß längst aufgegeben.

15.000 Unterschriften sammelten die Landtagsfraktion Bündnis 90/Grüne und sächsische BürgerInnenbewegungen für ein „gesetzlich garantiertes Recht der Erziehenden auf einen ganztägigen Platz in einer Kindereinrichtung zu annehmbaren Preisen“. Elternbeiträge dürften nicht höher liegen als in den Altbundesländern, der Bund müsse die Finanzierung der Einrichtungen weiterführen, und die Abschlüsse der Erzieherinnen seien bundesweit anzuerkennen. In ihrem Minderheitsvotum für die donnerstägliche Plenardebatte zum Kindertagesstättengesetz hatte das Bündnis 90/Grüne festgestellt, daß noch immer „wesentliche Dissenspunkte“ bestehen. So fordert die Fraktion, daß der Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte „unabhängig vom Alter für alle Kinder festzuschreiben“ sei. Nachdem Gesetz stehen die Türen nur für Kids ab drei Jahren offen. Bündnis 90/Grüne monieren auch, daß die ganztägige Betreuung von Kindern in Sachsen die Ausnahme werden soll, abhängig von einer nicht näher beschriebenen „Erforderlichkeitsfeststellung“. Die als Alternative angebotene Tagespflege dürfe nur „in Ausnahmefällen Ersatz für die Betreuung in Kindertageseinrichtungen sein, denn es handelt sich hier in der Regel um ungeschützte Arbeitsverhältnisse“.

Auf der Strecke bleibe der sozialpädagogische Auftrag von Kindereinrichtungen, erklärte gegenüber der taz die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Cornelia Matzke. „Kinder brauchen Kinder“, und die Arbeitslosigkeit ihrer Eltern sei für die Kids eine weit größere Belastung als ein etwaiger Streß in der Kita.

Entwürfe für ein sächsisches Kindertagesstättengesetz hatten die Fraktionen der SPD, Linke Liste/ PDS, Bündnis 90/Grüne und letztlich das Kabinett eingebracht. Der Mehrheitsentscheid im Sozialausschuß kippte bald die Oppositions- Entwürfe aus der Debatte. Mit ihrem Modell, die Eltern aus der Finanzierung des Kita-Platzes herauszuhalten, blieb die Fraktion Linke Liste/ PDS ohnehin allein. Aber nahezu einheitlich sind die Oppositionsfraktionen der Auffassung, daß die Kitas nicht nur „unterstützend“ die Erziehung des Kindes durch die Familie begleiten sollten. Vielmehr haben sie, wie die SPD in ihrem Entwurf forderte, einen „eigenständigen Bildungsauftrag“. Wesentlich sei die „Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und die Beratung und Information des Erziehungsberechtigten“.

Auch mit ihren Ideen zur Mitsprache der Eltern konnte sich die Opposition nicht durchsetzen. Der Träger einer Einrichtung „kann“ einen Ausschuß bilden, dem auch VertreterInnen des Elternbeirates angehören, heißt es im vorliegenden Entwurf. „Der Ausschuß soll gebildet werden, wenn die Elternversammlung dies wünscht.“ Bündnis 90/Grüne hatten angestrebt, daß ein Landeselternbeirat sowie in jeder Komunne ein Gesamtelternbeirat gewählt wird. So wollte sie gleiche Rechte für alle Träger von Kitas, ob nun kommunal, kirchlich oder frei, sichern.

„Kinder brauchen Kinder“, unter diesem Thema will der DGB noch im Juni eine bundesweite Kampagne für den Erhalt von bezahlbaren Kindertagesstätten starten.