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Prachtbau einsturzgefährdet?

■ Vereinigte Werkstätten „Am Wall“ stehen lange leer/ Statik wird berechnet

Gähnend leere Schaufenster prägen seit Monaten „Am Wall“ das Stadtbild. Besonders seitdem die Vereinigten Werkstätten vor knapp zwei Jahren ihr Domizil an der einstigen Prachtstraße verließen, bangen Händler wie Schaufenster-Bummler um die Zukunft dieses stadtplanerisch vernachlässigten Bremer Herzstücks zwischen Sögestraße, Bischofsnadel und Polizeihaus. Das Gerücht der letzten Tage fiel deshalb auf fruchtbaren Boden: Das Haus der Vereinigten Werkstätten sei marode. Die Statik könne das Haus nicht mehr halten. Abriß drohe. „Nee, Nee — da ist nix dran“, weist dagegen der mit den Umbauten beauftragte Architekt sämtliche Gerüchte energisch zurück. Die waren entstanden, als bekannt wurde, daß der Eigentümer des Hauses, die Frankfurter Immobilienfirma Defo, die Hochschule für Technik mit einem Prüfgutachten beauftragt hat. Dienstag sollen die Belastungstests durchgeführt werden.

„Im Rahmen der Bautätigkeit müssen wir laut Bauordnung die Tragfähigkeit nachweisen“, erklärt das Architektenbüro Plambeck den Prüfauftrag. Nur so lasse sich die künftige Nutzung sichern. Denn von dem Gebäude gäbe es keine Baupläne mehr.

Dennoch lassen sich Fachleute von der beabsichtigten Prüfung aufschrecken: Wenn zum Beispiel Produktionsmaschinen oder Rechner im Hause aufgestellt würden, müßte die Statik eine ganz andere Belastbarkeit haben, müßten unter Umständen Decken verstärkt oder andere Maßnahmen ergriffen werden, erklärten Statik-Experten der taz. Auf die künftige Nutzung müsse man ein wachsames Auge haben, betont deshalb auch die „Initiative Bremer Stadtbild“.

Im ersten Obergeschoß soll eine Versicherungsfirma mit ihren Büros einziehen. Ein in Bremen ansässiges Unternehmen, das erweitern will. „Entsprechende Umbauten sind eingeleitet“, erklärte unterdessen Michael Kammerer von der Defo auf Anfrage. Das Erdgeschoß sei an Einzelhändler vermietet worden. Es werde für eine Bekleidungsfirma und ein Möbelgeschäft aufgeteilt.

Der notwendige Antrag auf Nutzungsänderung ist unterwegs zum Bauordnungsamt. Auch dort sorgten Gerüchte von Umbau, möglichen Bauschäden und Abriß gestern für Aufregung: Am Bauamt waren die Pläne nämlich bisher vorbeigegangen. Lediglich mit der Wirtschaftsförderungsgesellschafsei verhandelt worden. Auch der Landesdenkmalschützer ließ sich von dem Gerücht aufschrecken: „Das Haus ist eindeutig denkmalwürdig“, meint er, hat es aber noch nicht unter Schutz gestellt: Der Bremer Architekt Behrens hatte das Haus am Wall etwa 1912, noch vor dem 1. Weltkrieg erbaut. Im Erdgeschoß war das Theatercafe vom einst gegenüberliegenden Stadttheater untergebracht. Erst vor kurzem hatte die Defo die Fassade des Stahlbetonbaus, in dem u.a. die Umweltbehörde residiert, aufwendig renovieren lassen.

Die Stadt solle besser dafür sorgen, daß die Gegend Am Wall belebt und aufgewertet wird, betont Michael Kammerer im Gespräch mit der taz. Überlegungen dazu würden seit Jahren immer wieder vergebens auf den Tisch gebracht, bestätigt Hermann Krauß, Einzelhandelsexperte von der Handelskammer, die Wünsche und Forderungen auch der anderen Händler am Wall. „Das ist eine typische Fachgeschäfte- Lage: ein bißchen schick, ein bißchen grün“, sagt er.

Doch das sich der Wall ins Nichts verliere, es kein attraktives Ziel außer den Polizei-Behörden für einen größeren Rundgang gebe, bleibe den Läden die Laufkundschaft aus. Fachhändler resignierten: Das Sportgeschäft Wimmer machte dicht, die Teppichhändler gaben auf, das China-Restaurant schloß. ra

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