Chronik eines angekündigten Todes

■ »Jazz across the border« im Haus der Kulturen der Welt tritt die Nachfolge von »Jazz in the Garden« an

Jazzfans werden sich in diesem Sommer vielleicht schon gefragt haben, wo denn das grellbunte Plakat mit der Blüte drauf bleibt. Weder das immer gleiche Plakat noch die Veranstaltung, für die es warb, wird es in diesem Jahr mehr geben: Jazz in the Garden ist tot. Als Generalerbe wurde das Haus der Kulturen der Welt eingesetzt. Der neue Name, den der Nachlaßverwalter von Kultursenats Gnaden wählte: Jazz across the border. Wie und vor allem warum der traditionelle Gartenjazz zum grenzüberschreitenden Jazzverkehr umdeklariert wurde, sei hier kurz, aber mit der gebotenen Wehmut, berichtet.

Kritik am Festival unter der Leitung des Duisburger Veranstalters Ralf Schulte-Bahrenberg gab es schon seit geraumer Zeit. Das Konzept wirkte altbacken, es gab nur wenig Neuentdeckungen zu hören, längst etablierte Bands wurden dagegen über mehrere Jahre wiederholt eingeladen. Berliner Jazzer fühlten sich permanent untervertreten. Darüberhinaus war der Garten der Nationalgalerie mit seinem Swimmingpool für WG-Kinder direkt gegenüber der Bühne zwar äußerst beliebt beim Publikum, aber eigentlich denkbar ungeeignet für Open-air-Konzerte. Besonders bei Regen, und der braute sich in den letzten Sommern gerne am tradtionellen Jazz-in-the-Garden- Freitag zusammen, glichen Bands und Besucher einem absurden Wanderzirkus, wenn es wieder einmal hieß: »Das Konzert wird in der HdK fortgesetzt.«

Fürs Wetter konnte Bahrenberg nichts. Aber daß er es in fast zwanzig Jahren nicht einmal schaffte, wenigstens eine neue Beschallungsanlage zu besorgen (seine Sure-Boxen werden jetzt wohl endgültig im Museum verschwinden) oder ein paar Scheinwerfer zu organisieren, die einen Konzertabbruch wegen profaner Dunkelheit verhindert hätten, das war nicht nett von ihm. Da es sich bei der Veranstaltung auch noch um eine teilweise senatsfinanzierte Angelegenheit handelte, schlug im letzten Jahr der starke Arm des ehemaligen Rockbeauftragten Bernd Mehlitz zu.

Der Mann, der schon diverse Senatoren der Kultur überlebte, rief im Herbst letzten Jahres eine Art Symposion aus. Nicht zufällig im Haus der Kulturen der Welt angesetzt, stellte sich diese Veranstaltung als wohlvorbereitetes Tribunal gegen Bahrenberg heraus. Der alte Mann mit dem grauen Haar, den man für seine konzeptionellen und organisatorischen Fehler bei Jazz in the Garden schon zu hassen glaubte, wurde plötzlich zum bemitleidenswerten Opfer der Strategie aus dem Hause Mehlitz/Kultursenat. In mehreren Referaten durften sich »Persönlichkeiten« aus der Jazzszene über den alten Herren und sein Festival hermachen. Einzig Ihno von Hasselt, Produktionsleiter des JazzFests, schien schon damals nicht ganz wohl bei der Sache zu sein. Er wollte seinen Vortrag ausdrücklich nicht als Kritik an Bahrenberg, sondern an Jazz in the Garden gewertet wissen.

Das Symposion, quasi halböffentlich mit Journalisten besetzt, die namentlich eingeladen waren, erweckte bei einigen allerdings den Verdacht, Mehlitz als demokratische Fassade zu dienen, um Bahrenberg sein Festival »wegzunehmen«, wie dieser es damals selbst empfand. Bahrenberg drohte denn auch jeden zu verklagen, der den Namen Jazz in the Garden verwenden würde. Diese Drohung wenigstens scheint gefruchtet zu haben. Immerhin hatte Bahrenberg schon einmal erfolgreich gegen die Weiternutzung eines Festival-Markennamens geklagt, den er mitgeprägt hatte. Die Berliner Jazztage mußten nach dem unfreiwilligen Abgang ihres damaligen Organisators Bahrenberg in JazzFest umbenannt werden. Und wo wir gerade beim JazzFest sind: Warum wird an dieser Veranstaltung nicht ebensoein strenger Maßstab angelegt? Der künstlerische Leiter des JazzFests, George Gruntz, verschwendet wesentlich mehr Geld für langweilige aber teure Rentnerbands (George Shearing und Mel Torme erhielten beim Pleitejazzfest 1989, als man nicht einmal genug Geld für Konzerte im Delphi hatte, eine Gage von über 50.000 DM), als sein ehemaliger Kollege Bahrenberg vor der Nationalgalerie jemals verpulvern konnte.

Bei dem damaligen Symposion zog Mehlitz mit dem bis dato im Veranstaltungsgewerbe unbekannten Jazzjournalisten Günther Huesmann einen jungen Bewerber für die Nachfolge Bahrenbergs aus dem Hut. Mit einem frischen Konzept gedachte Huesmann das Festival ins Haus der Kulturen zu verpflanzen. Junge, unbekannte Bands sollten es sein, die rund um die alte Kongreßhalle aufspielen würden. Und sogar für den schlimmsten Feind des offenen Jazz, den Regen, hatte man sich etwas überlegt: Bei Wolkenbrüchen will man einfach von draußen ins Haus der Kulturen umziehen. Alles kein Problem, so verkündete Huesmann damals gemeinsam mit dem Chef des Hauses der Kulturen der Welt. Wenn nicht gerade die KSZE-Konferenz oder der Bundesrat dort tagt, bleibt hinzuzufügen.

Das Regenargument brach Bahrenberg dann endgültig den Hals. Der alte Mann raufte sich unentwegt die scheinbar immer lichter werdenden Haare, drohte noch einmal allen mit Klagen und war aus dem Rennen. Natürlich wollte (und konnte) Mehlitz damals noch kein Ergebnis der Beratungen bekanntgeben. Das müsse — demokratisch — in seiner Behörde noch einmal diskutiert und könne erst dann offiziell beschlossen werden. Daß Bahrenberg auch gegen seinen Willen aufs Altenteil abgeschoben werden würde, war trotzdem jedem deutlich geworden.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die Geschichte der Ab- und Umwicklung einer Westberliner Kultur- Einrichtung sei hier nicht dargelegt, um das neue Festival Jazz across the border zu diskreditieren, noch bevor der erste Ton im Tiergarten zu hören ist. Aber Ralf Schulte-Bahrenberg hätte etwas Besseres als einen Arschtritt zum Abschied verdient. Andreas Becker

»Jazz across the border« ab heute 16 Uhr bis Sonntag im Haus der Kulturen der Welt. Fortsetzung am nächsten Wochenende. Genaue Termine und Bandinfos im LaVie!