Innovationspotential Frau?

■ Neue Unternehmenskultur und Geschlechterpolitik - Einige kritische Anmerkungen zur Propagierung weiblicher Führungsqualitäten

Neue Unternehmenskultur

und Geschlechterpolitik —

Einige kritische Anmerkungen zur Propagierung weiblicher Führungsqualitäten.

Von EVA BRUMLOP

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in neues Wesen geistert seit einigen Jahren durch Frauenmagazine und Managementliteratur, provoziert heftige Kontroversen innerhalb der Frauenbewegung und scheint bisher gültige Annahmen traditioneller Management- und Organisationslehre in Frage zu stellen: die Karrierefrau, die Frau im Management, die Aufsteigerin in Leitungsfunktionen, die bisher nur Männern vorbehalten waren. In einer Situation, in der Frauen in der Bundesrepublik in wirtschaftlichen Spitzenfunktionen noch immer annähernd so selten anzutreffen sind wie Männer in Teilzeitarbeit oder in Hausmännerfunktionen, füllen populär- wissenschaftliche Studien über den Eintritt von Frauen ins Management, über weibliche Führungsstile und weibliches Führungspotential ganze Bücherregale, so als stehe der kollektive Einzug von Frauen in die Führungsetagen der großen Unternehmen kurz bevor.

Glaubt frau den neuen Managementprophetinnen, dann liegt die Zukunft in der Hand der Frauen: „Weiblich ist in — männlich ist out.“ Männer stehen für die Tyrannei des Mittelmaßes, Frauen sind die Hoffnungsträgerinnen der neuen Zeit. Waren es bisher gerade die den Frauen zugeschriebenen spezifisch weiblichen Eigenschaften, das Fehlen von „Führungspersönlichkeit“, die ihnen den „Weg nach oben“ zu versperren drohten, scheint sich dies jetzt tendenziell umzukehren: Man beruft sich nun vor allem auf die mit hochfliegenden Schlagworten wie „neue Unternehmenskultur“ oder „partizipatives Management“ bezeichneten neuen Personalführungskonzepte, die Anfang der achtziger Jahre von US-amerikanischen Organisationsberatern aus der Taufe gehoben wurden. In ihnen werden gerade jene Eigenschaften als die Führungsqualitäten der Zukunft gepriesen, die sich unserem westlichen Verständnis nach eher als feminin auffassen lassen: Intuition, Kontextbewußtsein, Fähigkeit zum ganzheitlichen Denken und Handeln, soziale Kompetenz, Kommunikationsvermögen und Mitarbeiterorientierung.

Derartige Überlegungen stehen in eklatantem Kontrast zu dem, was frauenbezogene Managementforschung bisher über die kulturellen Muster in westlichen Unternehmen herausgefunden haben. So ging die kritische Frauenforschung in der Bundesrepublik in ihrem Konzept vom „weiblichen Arbeitsvermögen“ davon aus, daß die bürokratische, arbeitsteilige und hierarchische Organisationsform von Unternehmen Frauen aufgrund ihrer anderen kulturellen Muster, ihres der „Binnensphäre“ angehörenden Wertesystems diskriminiert und ausgrenzt, da ökonomisch erfolgreiches Handeln tendenziell unvereinbar sei mit Werten wie Zugewandtheit, Empathie und Fürsorglichkeit.

Dagegen nähren die Konzepte einer neuen „kommunikativen Unternehmensethik“ Hoffnungen auf eine egalitäre Reformierbarkeit von Unternehmen, die sowohl Frauen als auch Unternehmen zugute kommen. „Human touch“ ist demnach Frauensache; Fürsorglichkeit, Kontextbewußtsein, Intuition, Beziehungsorientierung sind gefragt. Frauen als „change master“ eines aus der Kontrolle geratenen technologischen und gesellschaftlichen Umstrukturierungsprozesses? Statt der in den siebziger Jahren propagierten Anpassung von Frauen an männliche Verhaltens- und Karrieremuster, beruft man sich jetzt gerade umgekehrt auf die Geschlechterdifferenz. Die von der neuen „kommunikativen Unternehmenskultur“ genährte Fiktion einer stärkeren Einbeziehung von Gefühl und Intimität auch in die ökonomischen Beziehungen wird nicht nur als Hinweis darauf gedeutet, daß Frauen zukünftig rein quantitativ bessere Chancen für Managementkarrieren offenstehen. Sie verführt darüber hinaus zu der Annahme, daß beruflicher Erfolg für Frauen zukünftig nicht mehr um den Preis der Anpassung möglich sein soll, sondern unter Wahrung „weiblicher Identität“ bei gleichzeitiger Einflußnahme auf die bisherigen Spielregeln in Unternehmen.

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ber eröffnet der sogenannte Wertewandel im Management Frauen tatsächlich verbesserte Aufstiegschancen? Verbirgt sich dahinter nicht die von Frauen bereitwillig aufgegriffene Philosophie einer Männergesellschaft, die versucht, aus den traditionell Frauen zugerechneten Werten Kapital zu schlagen? Anworten auf diese Fragen müssen notwendigerweise spekulativ ausfallen, solange es sich bei den prognostizierten Trends veränderter Kultur und Führungsstile wohl eher noch um Zukunftsvisionen handelt.

US-amerikanische Protagonisten der neuen Unternehmenskulturdebatte weisen darauf hin, daß infolge der anvisierten Entbürokratisierungs- und Enthierarchisierungsprozesse nicht nur die Zahl der Hierarchiestufen, sondern auch die Zahl der Manager selbst stark reduziert werden könnte. Aus diesem Grunde sei gerade von diesen Führungskräften mit erheblichen Widerständen gegen jedwede Neuorganisation der Managerstrukturen zu rechnen. Dem entspricht, daß viele männliche Entscheidungsträger in modernen deutschen Großunternehmen Frauen als Managerinnen eigentlich nur dann für annehmbar halten, wenn entweder die Zielgruppe des Unternehmens Frauen sind, oder wenn in dem besagten Unternehmen überwiegend Frauen beschäftigt sind.

Was veranlaßt die Protagonistinnen einer aufgewerteten Weiblichkeit und eine wachsende Zahl von Unternehmensvertretern dennoch, das Hohelied auf die „kluge, intuitive Frau“, die Frau als das „Innovationspotential der Zukunft“ zu singen? Abgesehen davon, daß es sicherlich eine Reihe gutwilliger, ernsthaft bemühter Vertreter des Gleichstellungsgedankens in den Personalvorständen gibt, sehe ich zumindest zwei Gründe: Zum einen weckt die frauenfreundliche Rhetorik vieler Großunternehmen — ohne daß Firmen tatsächlich in größerem Umfang Frauen für leitende Funktionen einstellen — bei vielen qualifizierten und aufstiegsorientierten Frauen nicht unerhebliche Karrierehoffnungen, stimuliert das Leistungsniveau und beflügelt weibliche Machtphantasien. Für die Unternehmen hat dies den Vorteil, daß sie in einer Zeit wachsender ökonomischer Unsicherheit und Unübersichtlichkeit über ein Reservoir an potentiellen Kandidatinnen verfügen, das sie für mögliche Qualifikationslücken in ihre Personalplanung mit einbeziehen können.

Voraussetzung dafür, daß dieses Kalkül aufgeht, scheint allerdings, daß Unternehmen keine sie bindenden Regelungen und Vereinbarungen eingehen, wie sie etwa in Gestalt staatlicher Zwangsmaßnahmen (Gleichstellungsgesetzen oder Quotierungsregelungen) drohen. Insofern könnte die frauenfreundliche Rhetorik von der „neuen Weiblichkeit in den Chefetagen“, könnten die Frauenförderungs- und Chancengleichheitsprogramme, mit der sich immer mehr Unternehmen schmücken, auch eine subtile Abwehrstrategie auf die Forderungen nach institutionell verankerten Regelungen zur Gleichstellung von Frauen sein.

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ber noch aus einem anderen Grund sind Frauen in Führungspositionen bisher kaum präsent. Es scheint damit zusammenzuhängen, daß insbesondere in Spitzenpositionen nach wie vor gesteigerter Wert auf kulturelle Homogenität als Beförderungskriterium gelegt wird, was automatisch zur Bevorzugung von Männern führt. Wie anders ließe sich sonst erklären, daß selbst US- amerikanische Managerinnen, die durchaus gewisse Chancen haben, ins mittlere Management aufzusteigen, trotz Gleichstellungsprogrammen, hohem Qualifikationsniveau, partieller Angleichung von Lebens- und Karrieremustern der Zugang zu den Spitzenpositionen nach wie vor verwehrt wird. Eine Antwort: die „corporate culture“, in der für bestimmte Positionen kulturelle Homogenität (männlich, Mittelschicht) nach wie vor das Hauptkriterium der Rekrutierung ist. Als ein schlagender Beweis für die anhaltende kulturelle Divergenz zwischen Männern und Frauen gilt vielen US-amerikanischen Forscherinnen eine seit einiger Zeit auffallende Bewegung: Viele hochqualifizierte Managerinnen verlassen ihre Unternehmen und machen sich selbständig. Die Reibungsverluste sind zu groß. Sollten die alten Beschreibungen US-amerikanischer Unternehmen aus den siebziger Jahren der heutigen Realität doch gerechter werden als die Bilder einer neuen „femininen“ Unternehmenskultur? Oder ist die „neue Unternehmenskultur“ doch nur eine subtile Variation über eine maskuline Thematik?

Die Autorin ist Soziologin am Institut für Sozialforschung in Frankfurt/M.