ie Wirtschaft ist weiblich

Die Berliner Fachhochschule für Wirtschaft bietet erstmals einen Studienschwerpunkt für Frauen an.

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n diesem Semester wird zum ersten Mal an der Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) in Berlin ein Studienschwerpunkt „Frauen“ im Hauptstudium angeboten. „Wir wollten die Wirtschaft aus der Sicht der Frauen betrachten, die kommen in der wissenschaftlichen Literatur nämlich so gut wie gar nicht vor“, erzählt Ulrike Haase vom Frauenreferat. Eine studentische Vorbereitungsgruppe erstellte ein Konzept für einen Studienschwerpunkt im Hauptstudium. „So konnten wir auch Frauen erreichen, die sich noch nicht mit frauenspezifischen Themen beschäftigt hatten“, so Haase. Mit sechs Veranstaltungen in den Fächern BWL, VWL, Soziologie und Recht konnte dieser Schwerpunkt für dieses Semester im regulären Lehrplan verankert werden.

„Das Projekt soll die Studentinnen für ihre eigenen Interessen sensibilisieren und mit ihnen zusammen Handlungsperspektiven entwickeln“, sagt die Frauenbeauftragte der FHW, Angelika Wellnitz-Kohn. Nach ihren Worten ist ein Studienschwerpunkt zum Thema Frauen in der Form einzigartig im wirtschaftlichen Bereich. „Frauenthemen gab es sonst allenfalls im Studium generale, wo keine Scheine gemacht werden konnten.“

Ein zentrales Thema ist die Untersuchung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Sonja Pinder, Lehrbeauftragte für den volkswirtschaftlichen Bereich, vergleicht dazu feministische, sozialistische, herkömmliche und neoklassische Erklärungsmodelle. „Feministisch“ benutzt sie dabei im Sinn von „frauenengagierter Ansatz“. Dafür ist auch die Analyse vom sogenannten „weiblichen Arbeitsvermögen“ wichtig, welches Frauen auf den Bereich der unbezahlten Hausarbeit festlegt. Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene untersucht Heike Wittmann konkrete Arbeitseinsatzkonzepte sowie die geschlechtsspezifischen Implikationen von Flexibilisierung und Teilzeitisierung. Wie es zu „der ältesten Arbeitsteilung überhaupt“ kam und wieso sie immer wieder reproduziert worden ist, bearbeitet Mechthild Rathering im soziologischen Teil. „Dabei interessiert uns auch die Entwicklung der Geschlechtscharaktere und ihre Funktionalisierung in Politik und Gesellschaft.“ Die Wirksamkeit von Rollenklischees in der Rechtsprechung ist Thema von Gisela Lodewig: „Mir geht es darum, deutlich zu machen, daß die Diskriminierung von Frauen eine strukturelle ist und mit individueller Befindlichkeit erst mal nichts zu tun hat.“

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eitere Themen sind die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Stellung in betrieblichen und gesellschaftlichen Hierarchien. Auch werden verschieden Frauenförderpläne analysiert, „einige davon dienen nämlich lediglich zur Beruhigung“, so Ulrike Haase. Geplant sind Besuche in Betrieben und Gespräche mit verschiedenen Frauenbeauftragten. Auch Frauenprojekte wie die Schokofabrik in Kreuzberg oder „EWA“ (Erster weiblicher Aufbruch) im Osten der Stadt sind interessant, vor allem unter dem Aspekt, daß sich hier Frauen ihre Arbeitsplätze selbst geschaffen haben.

Wichtig ist allen Beteiligten der interdisziplinäre Ansatz des Projektes. Die Dozentinnen treffen sich regelmäßig, um ihre Planungen abzusprechen. Auch die vorbereitenden Studentinnen sind über die Seminare hinaus aktiv. „Wir organisieren ein Café, in dem die Teilnehmerinnen ihre Erfahrungen austauschen können“, sagt Martina Kauter. Die meisten der Studentinnen seien von der Atmosphäre in den Lehrveranstaltungen sehr angetan. „Hier können wir endlich unsere Erfahrungen in einem wissenschaftlichen Zusammenhang reflektieren“. Für das nächste Semester planen sie eine Ringvorlesung, in der auch die Situation in den neuen Ländern, in Europa und auf dem Weltmarkt einbezogen werden sollen. Noch in diesem Semester wird es eine Podiumsdiskussion mit Existenzgründerinnen geben.

Auch die Lehrenden beschreiben die Studentinnen als sehr engagiert. Sonja Pinder findet es „überhaupt erstaunlich, wie viele Studentinnen sich an diesem Schwerpunkt beteiligen, es kann nämlich immer noch von Arbeitgebern negativ ausgelegt werden, wenn sich ein solcher Titel im Zeugnis findet.“ Corinna Raupach