Offener Brief an Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, Bonn

an Bundesinnenminister Dr.Wolfgang Schäuble, Bonn

Am Samstag, den 8.Juni 1991 trafen sich zum fünften Mal Vertreter und Vertreterinnen der Asylinitiativen des Ortenaukreises. Die Anwesenden waren überwiegend Ehrenamtliche, die im direkten Kontakt mit Asylsuchenden und Flüchtlingen stehen. Da Sie als Bundesinnenminister die Verantwortung für die Flüchtlingspolitik tragen und wir in Sorge um diese Menschen in unserer Nachbarschaft sind, richten wir folgende Fragen an Sie:

1.Bisher waren bestimmte Volksgruppen aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen, aber auch wegen politischer Verfolgung durch Abschiebestopp geschützt.

Was geschieht nach dem 1.7.91 mit diesen bisher geduldeten Flüchtlingen, zum Beispiel mit Kurden, Iranern, Libanesen und Staatenlosen?

2.Bisher wird zumindest in Baden- Württemberg von der im Ausländergesetz vorgesehenen Aufenthaltsbefugnis kein Gebrauch gemacht.

Ist es in Ihrem Sinne, daß Flüchtlinge jahrelang in Angst vor Abschiebung (Duldung) leben müssen, obwohl sie die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllen?

3.Ist es Ihnen möglich, uns Auskunft zu geben über den künftigen Aufenthaltsstatus folgender Minderheiten: a)Christen, Jeziden aus der Türkei und Syrien, b)Kosovo-Albaner aus Jugoslawien, c)Sinti und Roma?

4.Was geschieht mit den damals angeworbenen Arbeitskräften in der ehemaligen DDR nach Ablauf deren Aufenthaltsgenehmigung?

5.Wie wird in Zukunft die Frage der Armutsflüchtlinge, die bisher per Asylantrag zu uns kamen, von politischer Seite aus angegangen?

Sind wir/Sie nicht verpflichtet, Armutsflüchtlinge aus Mitverantwortung (Nord-Süd-Konflikt) aufzunehmen?

Sie sagen: „Wir sind ein ausländerfreundliches Land und wollen es auch bleiben.“ Hinsichtlich der Asylsuchenden ist von politischer Seite aus wenig Ausländerfreundlichkeit festzustellen. In unserer Arbeit werden wir mit den Ängsten und Sorgen der betroffenen Flüchtlinge täglich konfrontiert. Darum bitten wir um baldige Anwort.

Darüber hinaus würden wir es begrüßen, wenn Sie persönlich als unser Bundestagsabgeordneter an unserem sechsten Treffen der Ortenauer Asylinitiativen in Ettenheim im Spätherbst (November) teilnehmen könnten, um die vielfältigen Fragen und Nöte direkt vor Ort zu erfahren. Wir bitten Sie um Terminvorschläge Caritasverband Kehl,

Caritasverband Lahr e.V.,

Caritasverband Wolfach

Dieses Schreiben wird von folgenden Ortenauer Asylinitiativen unterstützt: Ökumenischer Arbeitskreis Asyl e.V. Offenburg; Arbeitskreis Asyl Ettenheim; Arbeitskreis Asyl Willstätt- Kehl; Arbeitskreis Asyl Wolfach; Projektgruppe Asyl Oberkirch; Arbeitskreis Asyl Appenweier; Asylinitiative Renchen; Arbeitskreis Asyl Hohberg; Arbeitskreis Asyl Achern; Caritashelfergruppe Seebach; Arbeitskreis Asyl Lahr; Helferkreis Asyl Kippenheim; Arbeitskreis Asyl Oppenau