Vernetzte Frauenkarrieren

■ Immer mehr junge, berufstätige Frauen wollen ihren Erfolg mit Hilfe von Frauen erreichen und absichern. Doch noch gibt es unter den Managerinnen und Unternehmerinnen keine einheitliche Vorstellung, was...

Immer mehr junge, berufstätige Frauen wollen ihren Erfolg mit Hilfe von Frauen erreichen und absichern. Doch noch gibt

es unter den Managerinnen und Unternehmerinnen keine einheitliche Vorstellung, was Frauennetzwerke

zu bieten hätten.

Von BRIGITTA LENTZ

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hristina Wegerer kann stolz auf sich sein. Sie hat es geschafft, was in Deutschland immer noch nur wenigen Frauen gelingt: der Aufstieg in die Chefetage. 1973 kam die gebürtige Dresdnerin in den goldenen Westen, um dort ihr Glück zu machen, und reüssierte.

Heute arbeitet die 43jährige nicht nur als Abteilungsdirektorin bei der Karlsruher Lebensversicherung, sie ist zugleich auch Vorstandsmitglied einer Tochtergesellschaft. Die gelernte Betriebswirtin und Ingenieurin hat für sich allein gekämpft, das Gespräch über ihre Berufsprobleme oft schmerzlich vermißt. „Frauennetzwerke hätten da sicher eine Hilfe sein können“, urteilt sie im Rückblick.

Damit liegt Christina Wegerer durchaus im Trend. Für ihre jüngeren Kolleginnen ist ihr Aufstieg längst kein Vorbild mehr. Jung-Managerinnen lehnen heute den mühsamen Alleingang ab. Sie suchen statt dessen die Solidarität Gleichgesinnter und setzen vor allem auf das, was für den Aufstieg bekanntlich ebenso wichtig ist wie die Leistung: Kontakte, die dem Zufall auf die Sprünge helfen können.

Immer mehr junge Frauen schließen sich den zahlreichen Netzwerken an, die, nach dem Vorbild der Old Boys Networks, seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen. Während sich jedoch die Herrenrunden vordergründig karitativen Zwecken verschreiben und Nutzen für Karriere und Geschäft mehr nebenbei herausspringen, verzichten die neuen Frauenbünde auf derlei Verpackung. Sie wollen vor allem eines: Hilfestellung zum Erfolg im Beruf geben. Das Angebot: regelmäßiger Erfahrungsaustausch, Vorträge, Seminare, Kongresse und hin und wieder auch nützliche Verbindungen.

Die Geschichte der deutschen Netzwerke für berufstätige Frauen ist keine zehn Jahre alt. Sie beginnt mit einer für Außenstehende noch immer unverständlichen Rangelei. 1984 riefen in Brüssel engagierte Managerinnen das erste europäische Frauennetzwerk ins Leben: EWMD (European Women's Management Development Network). Doch damit wollte sich dessen Präsidentin, die ehrgeizige Hamburger Rechtsanwältin Helga Stödter, nicht zufriedengeben. Nach dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft gründete die agile Hanseatin 1987 mit einigen anderen Mitstreiterinnen aus dem EWMD für Deutschland ein neues Netzwerk: FIM (Frauen im Management).

Der Stödtersche Alleingang blieb nicht ohne Folgen. Verärgert schlossen sich ein Jahr später die restlichen „alten“ EWMD-Brüssel-Mitglieder zu EWMD-Deutschland zusammen. Die Folge: zwei Gruppierungen unter demselben europäischen Dach.

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och dabei war es nicht geblieben. In der Zwischenzeit waren in Deutschland noch weitere Netzwerke entstanden. Pömps (Partizipation in Öffentlichkeit, Management, Politik und Sozialem) hatte sich bundesweit als Organisation etabliert, die einen breiteren Kreis der berufstätigen Frauen anspricht. Amerikanische Bankerinnen hatten zusammen mit deutschen Kolleginnen in der Main-Metropole das Frankfurter Forum ins Leben gerufen. Und zwei Jahre nach der deutschen EWMD-Gründung zogen mit Verspätung die Rheinländerinnen nach. Seit Februar 1990 haben auch die Karrierefrauen in der Bundeshauptstadt ihr Netzwerk: das Bonner Forum.

Das Prozedere ist überall gleich: Einmal pro Monat treffen sich die Netzwerkerinnen zu Vorträgen und Diskussionen. Während beim EWMD häufig Referentinnen zu Gast sind, müssen die FIM-Frauen reihum eigene Vorträge halten. Und auch beim Bonner Forum ist Mitmachen angesagt. Die Themen sind handfest wie die Bonner Frauen selbst: „Dress for success“, „Wie lege ich mein Geld an“ oder „Wie sieht meine Altersversorgung aus“.

Im anschließenden „gemütlichen Teil“ des Abends können dann Kontakte geknüpft, Geschäfte angebahnt und News über Jobs ausgetauscht werden. Doch die stetig wachsende Zahl der Netzwerke und ihrer Interessentinnen macht allein noch kein Programm. Es fehlen Konzeptionen, sauber definierte Ziele und klare Vorstellungen über die Struktur der Mitglieder. Bisher haben die Karriereklubs der Frauen inhaltlich erst den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden: Sie präsentieren sich als lockere, durch den Zufall zusammengefügte Selbsthilfegruppen.

Die Frauen vom Frankfurter und Bonner Forum wollen freilich auch nicht mehr sein. Sie bekennen sich zum lupenreinen Opportunismusprinzip des „Nutzt du mir, nutz' ich dir“.

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as ist anderen Netzwerken wie zum Beispiel FIM und EWMD zu wenig. Sie wollen im Prinzip gesellschaftspolitisches Engagement. Doch Christa Gotzian, Mitbegründerin von FIM, mahnt zur Geduld. Weil es den Frauen immer noch an Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen fehle, so die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der IBM in Düsseldorf, „müssen wir in den Netzwerken zur Zeit in vielen Diskussionen und Gesprächen immer wieder Mut machen. Der Erfahrungsaustausch, die Chance zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung und der zufällige Karrierenutzen bleiben für die nächste Zeit noch unser wichtigstes Angebot“, meint Christa Gotzian.

Die Trainerin Kirsten Swyter zählt zu den Kritikerinnen, die sich damit nicht zufrieden geben wollen. „Wenn Netzwerke nur Quasselforen sind, dann verändern wir nichts an der Realität, sondern nähren nur die Vorurteile gegen solche Zirkel“, schimpft die Kölnerin.

Die Hamburger Management-Professorin Sonja Bischoff gibt ihr Recht. Auch sie erwartet mehr „Tacheles“ statt Soft-Themen. In ihrer Interview-Studie „Frauen zwischen Macht und Mann“ (Rowohlt-Verlag 1990), in der sie sich auch mit den Selbsthilfeorganisationen der Frauen auseinandersetzt, mahnt die Professorin neben Informationen über frauenfreundliche Unternehmen vor allem engagierte Diskussionen zu den Problemdauerbrennern „Macht und Geld“ an. Sonja Bischoff: „Heiße Eisen wie die Gehaltsdifferenzen oder die verquere Einstellung der Frauen zur Macht packen die doch gar nicht an.“

Zudem kritisiert die streitbare Betriebswirtin die „Beutezüge der Women-Industry“. Sie meint damit all die Trainer- und Beraterinnen in den Netzwerken, die in berufstätigen Frauen eine neue zahlungskräftige Klientel sehen: „Die Beraterzunft kann nicht die einzige sein, die von solchen Organisationen wirklich profitiert.“ Ihr Vorschlag: eine strengere Zielgruppenorientierung.

Die Eingrenzung der Mitglieder könnte sinnvoll sein. Zwar entscheidet in den meisten Organisationen der Vorstand über den Eintritt eines neuen Mitglieds. De facto freilich nehmen sie jede Frau in ihren Kreis auf.

Die Unternehmerin sitzt zwischen der Einzelhändlerin und der Schulleiterin, die Galeristin neben der Headhunterin, die Trainerin neben der Ärztin. Dazu mischen sich häufig noch ehrgeizige Sekretärinnen und Studentinnen. Die angestellte Managerin, ursprünglich einmal als Kernzielgruppe ins Visier genommen, ist nur noch ein Mitglied unter vielen.

Klar, daß es bei so heterogener Struktur schwierig ist, Ziele zu definieren, Inhalte zu finden, aus denen alle Nutzen ziehen. Schon zwischen den Berufsrealitäten der angestellten Managerin und der Unternehmerin liegen Welten. Die Zahlen belegen das: Unternehmerinnen sind inzwischen fast Normalität in der Wirtschaftslandschaft — immerhin wird heute jede dritte neue Firma von einer Frau gegründet. Die Führungsfrauen in den Unternehmen dagegen müssen immer noch kräftig strampeln — sie haben im gleichen Zeitraum nur vier Prozent der Leitungspositionen erobert.

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o unterschiedlich wie der berufliche Background sind auch Motivationen und Erwartungen der Netzwerk-Frauen. Während der Führungsnachwuchs nach Hilfen beim Berufseinstieg schielt, fühlt sich manche „Frauenbewegte“ von der Initiative ohne Männer angezogen. Hinzu kommen all diejenigen, die einfach nur mal andere interessante Frauen kennenlernen wollen.

Das sieht die resolute Andrea Richter, die im vergangenen Jahr das Bonner Forum ins Leben gerufen hat, geradezu als Vorteil an. Die Mitglieder können nach ihrer Meinung gar nicht unterschiedlich genug sein. Umso besser funktioniere das Netzwerk, meint sie.

Bei den Bonnerinnen stellen freilich die weiblichen Manager ohnehin die Minderheit. „Außerdem wollen wir keine Probleme wälzen, sondern voneinander profitieren“, würgt Andrea Richter die Diskussion ab. Die quirlige PR-Frau selbst hat über das Forum den einen oder anderen Auftrag bereits eingeheimst. Andrea Richter: „Was will man eigentlich mehr?“

Sonja Bischoff zeigt sich von derlei Pragmatismus wenig beeindruckt. Solange man die Zielgruppe nicht abgrenze, hält sie dagegen, könne es auch nicht gelingen, diejenigen zu gewinnen, ohne die Erfahrungsaustausch für die Jungen im Grunde sinnlos sei: die gestandenen Managerinnen zwischen 45 und 50 Jahren.

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ie muß man in der Tat in den Frauenorganisationen mit der Lupe suchen. „Ich hasse stundenlange Diskussionen, bei denen nichts herauskommt“, begründet Gisa Schultze-Wolters ihre Netzwerk- Abstinenz. Allerdings ist die einzige Direktorin der IBM-Deutschland immer bereit, „hier und da mal mitzumachen“. Gisa Schultze-Wolters: „Ich kann mich der Verantwortung nicht entziehen, daß ich für junge Frauen Vorbild bin.“

Die meisten Mitstreiterinnen auf dieser Hierarchiestufe sind jedoch noch nicht einmal zu derlei Mini-Engagement bereit. Sie argumentieren mit Zeitproblemen. Doch Ute Schütz vom Vorstand des EWMD Rhein- Ruhr vermutet selbstkritisch einen anderen Grund: „Wir bieten einfach nicht genug.“

Und wie wären sie zu locken? „Die internationalen Perspektiven könnten ein Anreiz sein“, schätzt Cornelia Seewald, Personalleiterin bei Hewlett-Packard in Ratingen. Zu Recht — nur haben die deutschen Netzwerkerinnen die zahlreichen Möglichkeiten einer europäischen Kooperation bisher längst noch nicht ausgeschöpft.

Anknüpfungspunkte sind da — und nicht nur im Brüsseler Dachverband des EWMD. Kontakte zu den Netzwerken „Women in Management“ und „Donne in carriera“ in Großbritannien und Italien brauchen nur geknüpft zu werden.

Das wird allerdings noch dauern, dämpft Ute Schütz allzu hohe Erwartungen: „Ehe wir an die internationale Arbeit gehen können, müssen wir unsere Aktivitäten hier vor Ort effektiver gestalten.“ Oberste Priorität: mehr Eigeninitiative der Mitglieder. Denn häufig ärgert sich die EWMD-Vortsandsfrau über die passive Konsumhaltung vieler Teilnehmerinnen, „die darauf warten, daß irgendwas passiert“.

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er Hamburger Betriebswirtschaftsprofessor Michel Domsch hat noch einen weiteren Schwachpunkt ausgemacht. Der Wissenschaftler, der für das Universitätsseminar der Wirtschaft Veranstaltungen zum Thema „Frauen im Management“ anbietet, hält Netzwerke nur dann für wirklich nützlich, „wenn sie auch die Machtpromotoren ansprechen“. Bis auf das EWMD wehren sich jedoch alle Gruppen derzeit noch gegen die Einbeziehung von Männern — und sei es auch nur als Referenten. „Wenn die mehr hochkarätige Manager mit Personalverantwortung zu ihren Treffen einladen würden, könnte das doch für beide Seiten interessant sein“, wundert sich Domsch.

Der Professor geht noch einen Schritt weiter. Eigentlich seien die „Entre-nous-Netzwerke“ sowieso nicht mehr zeitgemäß: „Wenn heute schon an den Unis fast die Hälfte der BWL- und ein Drittel der Naturwissenschaftsstudenten weiblich sind, gehört die Zukunft den gemischten Netzwerken.“

Die meisten Netzwerkerinnen denken freilich, die Zeit für die Mischung sei noch nicht reif. Traditionelle Männerbünde wie Lions oder Rotary sind da schon weiter und überlegen, wie sie sich für die Damenwelt öffnen. Beim Lions-Club in Hilden zählte im vergangenen Jahr erstmalig eine Frau zu den Gründungsmitgliedern.

Und auch die elitären Rotarier haben jüngst beschlossen, „unsere Bewußtseinslage in diesem Punkt neu zu definieren“, so jedenfalls Heinrich J. Klein, Ex-Vorstandssprecher der Schott-Glaswerke und Mainzer Rotary-Präsident.

Da werden selbst vielbeschäftigte, gestandene Erfolgsfrauen hellhörig. „Gemischte Netzwerke“, sagt IBM- Managerin Gisa Schultze-Wolters, „spiegeln für mich die Realität wider. Da würde ich mir glatt überlegen, Mitglied zu werden.“

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