Sieg des Pragmatismus

■ In Kolumbien stellte sich der Boß des Kokainkartells von Medellin

Sieg des Pragmatismus In Kolumbien stellte sich der Boß des Kokainkartells von Medellin

Vor knapp zwei Jahren erklärte Kolumbiens berüchtigster Mafioso, Pablo Escobar, der Regierung förmlich den Krieg. Nun hat er sich gestellt. Doch sein erklärtes Kriegsziel hat er erreicht: In der neuen Verfassung soll das Verbot, Kokainhändler ans Ausland auszuliefern, festgeschrieben werden. Ein Sieg der Mafia also und nicht der Regierung, die sich über Escobars Kapitulation freut? Vor allem ist es der Sieg eines realpolitischen Pragmatismus, dem die Befriedung des Landes wichtiger ist als hehre Prinzipien. Weshalb sollte ein Staat, der es ohnehin nie geschafft hat, das Gewaltmonopol durchzusetzen, nicht mit Kriminellen verhandeln, wenn diese in der Lage sind, seine Autorität und gar seine Legitimität erfolgreich zu untergraben? Längst hatten sich die Mafiosi in den obersten Etagen des Staatsapparates breitgemacht. Richter wurden bestochen oder ermordet, Politiker eingeschüchtert. Nachdem die Drogenbarone in großem Stil Ländereien aufkauften, hatte sich im Kampf gegen die älteste und stärkste Guerilla Lateinamerikas zudem eine Allianz zwischen Militärs, Viehzüchtern und Mafia herausgebildet, deren Killerbanden das Land mit einem schmutzigen Krieg überzogen. Allein im vergangenen Jahrzehnt kostete er 12.000 Kolumbianern das Leben. Daß bei den Wahlen für eine Verfassunggebende Versammlung eine kleine linke Gruppierung auf Anhieb die beiden Parteien schlug, die seit 170 Jahren das Land regieren, war für die politische Klasse des Landes ein Alarmzeichen. Es war ein Votum für den Frieden, gegen die lähmende alltägliche Gewalt und gegen die Korruption. Nun, wo die traditionellen Parteien in die Defensive geraten sind, einige Guerillaformationen die Waffen gestreckt haben und andere Verhandlungsbereitschaft signalisieren, muß und kann sich die Regierung den Frieden mehr denn je leisten. Die Chancen, daß in Kolumbien nach 45 Jahren Bürgerkrieg die Waffen schweigen, sind heute jedenfalls besser denn je. Daß der Drogenhandel aber weiterblüht, weiß in Kolumbien jeder. Kokain ist längst zum wichtigsten Exportprodukt des Landes avanciert. Solange 25 Millionen schnupfende Nordamerikaner weiterhin den Absatz garantieren und 250.000 Kolumbianer zehnmal mehr verdienen, wenn sie Koka statt Kartoffeln pflanzen, wird sich daran nichts ändern. Vorläufig kann es nur darum gehen, die Auseinandersetzungen um Land, politische Macht und Anteile am Drogengeschäft in zivile Bahnen zu lenken. Das ist in einem Land, in dem Mord unter Jugendlichen die häufigste Todesursache ist, nicht gerade wenig. Thomas Schmid