BND läßt Schalck-Ermittler auflaufen

Chefermittler vor Bonner KoKo-Ausschuß/ Personalmangel behindert Aufklärung/ Nach ZDF-Recherchen hatte der Verfassungsschutz Agenten in KoKo-Firmenleitungen  ■ Von Thomas Scheuer

Die Durchleuchtung von Schalck- Golodkowskis geheimnisvollem Firmenimperium wird durch Personalmangel bei den ermittelnden Behörden ebenso behindert wie durch politischen Unwillen und wird sich daher noch etliche Zeit hinschleppen; zudem sind da eben auch keine Spürhunde, sondern deutsche Beamte im Einsatz. So etwa ließe sich der Erkenntnisgewinn der ersten Zeugenanhörung vor dem Koko-Untersuchungsausschuß des Bundestages am Donnerstag in Bonn zusammenfassen. Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat auf ein Ersuchen der Berliner Ermittlungsbehörden, ihnen Informationen aus den BND-Vernehmungen Schalcks nach dessen Flucht nach West-Berlin im Dezember 1989 zur Verfügung zu stellen, bis heute schlicht nicht reagiert. Das erklärte der Chef der AG-Regierungskriminalität beim Berliner Kammergericht, Christoph Scheafgen, auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Köppe (Bündnis 90/Grüne). Schaefgen und seine Staatsanwälte ermitteln gegen Schalck wegen diverser Vergehen, vom verbotenen Waffenhandel über Rauschgiftvergehen bis zur Veruntreuung. Die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach beklagte vor dem Ausschuß, ebenso wie Schaefgen, die mangelhafte personelle Unterbesetzung und materielle Ausstattung der AG. So zähle Schaefgens Ermittlungstrupp nur sechs Staatsanwälte und einen Wirtschaftsreferenten. Selbst wenn die von den alten Bundesländern versprochenen rund 60 zusätzlichen Staatsanwälte irgendwann in Berlin eintreffen sollten, werden erneut Monate vergehen, bis diese eingearbeitet und einsatzbereit sind. Von den bislang 1.500 sichergestellten Aktenordnern konnten laut Schaefgen bisher 600 bis 700 gesichtet werden. In den Nächten direkt nach Schalcks Abtauchen — im Dezember 1989 — sei im KoKo-Bereich nachweislich etwa eine Tonne Akten durch den Kamin gejagt worden.

Schaefgen und Limbach kritsierten das Bonner Finanzministerium, das zwecks Überprüfung der Finanzströme im SED/KoKo-Firmenkartell eine lediglich dreiköpfige Arbeitsgruppe installiert habe, die zudem erst im April dieses Jahres ihre Arbeit aufnahm und der Staatsanwaltschaft jetzt „tröpfchenweise“ über den Verbleib von KoKo-Geldern berichte.

Daß die Erkenntnisslage bundesdeutscher Behörden über Schalcks Schieber-Netzwerk an sich so lausig gar nicht sein kann, legen Recherchen des ZDF nahe. Wie das ZDF- Journal am Mittwochabend berichtete, diente der langjährige Geschäftsführer einer wichtigen SED- Tarnfirma dem westdeutschen Bundesamt für Verfassungsschutz. Der Mann habe die Firma zehn Jahre lang geleitet. Ebenso zwei Geschäftsführer anderer SED-Tarnfirmen, die beide unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen. Somit müßten westdeutsche Geheimdienste und also auch die Bundesregierung über Interna aus dem Innenleben des SED-Firmenkartells und aus Schalcks Geheimbehörde Kommerzielle Koordinierung verfügt haben.