Balten waren zufrieden

■ KSZE-Krisenmechanismus begrüßt/ Kränkung durch Zulassung prosowjetischer Parteien als NGOs

Die Außenminister der drei baltischen Staaten waren bemüht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz wiederholten sie unermüdlich, daß sie den KSZE-Außenministerrat als einen Erfolg betrachteten. Im Gegensatz zu der letzten Konferenz der 34 Mitgliedsstaaten in Paris hätten sie an der Eröffnungssitzung teilnehmen dürfen, seien als Gäste der skandinavischen Delegationen und Belgiens ständig über die neuesten Entwicklungen informiert worden. Lennart Meri, Außenminister Estlands: „Das KSZE-Treffen begann nicht mit der Eröffnungsrede Genschers und sie endete nicht mit den Worten des deutschen Außenministers. Sie begann und endete mit einem Treffen zwischen Genscher und den Vertretern der baltischen Staaten. Wir haben uns sehr konkret über die weitere Entwicklung unterhalten.“

Doch vor allem bei dem Außenminister Lettlands, Janis Jurkans, kam immer wieder die Empörung über eine „Erniedrigung“ zum Vorschein, die die drei am Tage zuvor erdulden mußten. Bei der Eröffnungsveranstaltung hatten sie, die demokratisch gewählten Repräsentanten ihrer Länder, neben den Vertretern der baltischen prosowjetischen Parteien auf einer „Bank“ Platz nehmen müssen. Diese waren als Gäste der sowjetischen Delegation angereist und entgegen der üblichen Praxis als sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGO) von der KSZE anerkannt worden. Litauens Außenminister mußte neben einem Journalisten sitzen, der nach der Erstürmung des Fernsehturms in Vilnius als Srachrohr der Sowjetunion im Fernsehen agierte. Bei dieser Besetzung waren dreizehn unbewaffnete Demonstranten ums Leben gekommen.

Die sowjetischen NGO-Vertreter hatten bereits am Mittwoch nicht zufällig im Haus der sowjetischen Wissenschaft und Kultur eine Pressekonferenz abgehalten. Dort stellten sie sich als Vertreter des interparlamentarischen Rates vor. Ziel ihres „Bürgerkomitees“ sei es, für einen Verbleib der baltischen Staaten in der Union zu streiten und die „menschenrechtswidrige Unterdrückung der Kommunisten“ anzuprangern. Konkrete Nachfragen hierzu blieben allerdings unbeantwortet. Der Hinweis auf die tödlichen Schüsse von sowjetischen „Schwarzen Baretten“ mit den altbekannten Argumenten wurde vom Tisch gewischt.

Eine Wiederholung dieser Überfälle schlossen die baltischen Außenminister nicht aus, die Gefahr eines militärischen Putsches bestünde weiter. Nun jedoch biete der neu geschaffene KSZE-Krisenmechanismus die Möglichkeit, „unsere Freunde“ zu benachrichtigen und die Einberufung einer Krisensitzung in die Wege zu leiten. Die baltische Frage sei internationalisiert worden.

Sabine Herre/Anita Kugler