Schimpff & Schande & Co.

Der sächsische Landtag versuchte sich den Extremismus zu erklären  ■ Aus Dresden Detlef Krell

In der aktuellen Debatte des sächsischen Parlaments verrührte Volker Schimpff (CDU) jüngsten Neonazi- Aufmarsch, gewaltsamen Tod Jorge Gomondais, Überfälle auf Ausländerwohnheime und einige RAF-nahe Graffities zu einem indifferenten Eintopf. Das Ganze beschrieb er mit „Ausgeburt des Kollektivismus“. „Der Extremismus roter und brauner Coleur wurzelt in der extremen Überbewertung der Gruppe“, befand der Historiker. Auch wenn Schimpff bildhafte Umschreibungen seiner Sicht auf wachsende Gewaltbereitschaft und das Aufleben eines faschistischen Ideologieverschnitts fand; ein Konzept für praktische Politik bot er nicht. Ein Weg, dem „Extremismus als einer Gefahr für die politische Kultur in unserem Freistaat“ entgegenzutreten, sei die „wehrhafte Demokratie“. Der andere: „Werte zu vermitteln, die glaubwürdig sind, um den desorientierten Menschen wieder Halt zu geben, in dem Nichts, in dem sie sich zu befinden glauben.“

Unmittelbar vor dem „Trauermarsch“ der Rechtsradikalen am vergangenen Wochenende hatte Ministerpräsident Biedenkopf eben diese Argumentation eingeläutet, als er meinte, unter der faschistischen Symbolik hätten sich „schlichtweg Ganoven und Kriminelle versammelt“. Regierungssprecher Kinze sieht Gründe für Rechtsextremismus in einer „hohen Bevölkerungsdichte“ [Malthus läßt grüßen d.R.]. Lothar Starke (SPD) führt die Radikalisierung der Jugend auf die Kluft zwischen der „glitzernden Konsumwelt“ und der „Entsolidarisierung der Menschen“ zurück. Linksextremismus könnte er in Sachsen nicht erkennen, dafür in der rechtsradikalen Bewegung einen starken Einfluß westlicher Altnazis. Als Starcke noch erklärte, „manche Politiker und manche praktizierte Politik stellen eine größere Gefahr dar als es Kriminelle je sein können“, fühlte sich die CDU-Fraktion angesprochen. Der SPD-Abgeordnete weiter: Gefährlich sei Politik dann, wenn den Mehrheiten die Arroganz der Macht überkomme und Angebote von Minderheiten ausgeschlagen werden.

Mit der Jugend reden, um sie zu verstehen, geradezu genial, was Ludwig Rade (FDP) nicht nur forderte; er will's selber machen. Kurios sei, wie er „gehört“ habe, daß sich Ultralinke und Ultrarechte „in sogenannten Partywohnungen“ treffen. Sein Appell an die Jugend: „Kaufen Sie sich einen Rucksack und ziehen sie in die Welt. Suchen sie das Abenteuer in der Ferne.“ [Und laßt uns hier ja in Ruhe d.R.] Michael Elsner (LL/PDS) forderte „soziale Ursachen mit politischen Mitteln“ zu beseitigen. [Streetworker und Sozialarbeiter an die Front] Innenminister Krause feierte mit der sächsischen Polizei am vergangenen Wochenende auf der Straße „einen großartigen Sieg“. Krause stellt eine „gleiche Ausgangslage bei linksextremen und rechtsextremen Aktionen“ fest, wisse aber noch zu wenig über die extreme Linke. Also brauche das Land „dringend“ einen Verfassungsschutz. Martin Böttger (Bündnis 90/ Grüne) benennt den nightmare der sächsischen CDU: Sie sehe „auf dem linken Auge Gespenster“. „Die regierenden Politiker sollen sich mal herablassen, mit Leuten auf der Straße zu sprechen.“ Sie würden erkennen: „Was Bürger dieses Landes bedrückt, findet keinen Eingang in die praktische Politik.“ Zudem würde ein „Umgang mit der Geschichte des letzten Regimes gepflegt, der jener verlogenen Verdrängung im Umgang mit der NS- Geschichte in nichts nachsteht.“