Eine Villa nach Hannelores Geschmack

■ Senat und Bundesregierung suchen Regierungs- und Parlamentsbauten/ Im Gespräch: ICC, Kongreßhalle und viele DDR-Ministerien/ In acht bis zwölf Jahren soll Berlin voll bezugsfertig sein

Berlin. Bevor die Möbelpacker zum großen Regierungsumzug bestellt werden können, haben Bundesregierung und Senat noch einiges zu tun. Bis zum Jahresende soll zunächst die Bauplanung für neue Regierungs- und Parlamentsgebäude fertiggestellt werden. So kündigten es gestern der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und Bundesbauministerin Irmgard Adam-Schwaetzer an. Die FDP-Ministerin gründete gestern früh einen Arbeitsstab, der sich nun um die praktische »Umsetzung der Bundestagsentscheidung« kümmern soll, die sie selbst noch am Mittwoch vehement bekämpft hatte. Der Senat werde am Dienstag ebenfalls eigene Arbeitsgruppen einsetzen, sagte Planungsstaatssekretär Wolfgang Branoner (CDU) gestern der taz.

Vor allem für die Abgeordneten des Bundestages müssen rasch neue Büros in der Umgebung des Reichstags eingerichtet werden. Das alte Parlamentsgebäude aus Kaisers Zeiten war als pures Debattenparlament konzipiert. Die Aktenwut eines modernen Abgeordneten konnten die Architekten damals nicht vorhersehen. Die Präsidentin der Bundesbaudirektion in Berlin, Barbara Jacubeit, will deshalb rasch Abhilfe schaffen. Noch im Oktober sollen in zwei ehemaligen DDR-Ministerien am Boulevard Unter den Linden Umbauarbeiten beginnen. Ausgerechnet das mit dem Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski verbundene Außenhandelsministerium sowie das Volksbildungsministerium — der ehemalige Amtssitz von Margot Honecker — werden auf diese Weise die ersten Adressen für die Bonner Parlamentarier.

Schon in diesem Herbst beginnt in Berlin deshalb ein großer Bau- und Umzugszirkus. Bevor die beiden Ministerialbauten saniert werden können, müssen die Außenstellen der Bonner Ministerien ausziehen, die dort noch residieren. Dann werden Heizung und Lüftung erneuert, Kabel für Telefon, Telefax und Datenübertragung verlegt und die Fußböden erneuert. Im Herbst 1992, wenn die Abgeordneten dort plangemäß ihre neuen Büros beziehen werden, müssen sie gleichzeitig den Reichstag wieder verlassen. Dort sollen dann zwischenzeitlich Handwerker die Macht übernehmen. Der wuchtige Bau bedarf nicht nur eines kompletten Umbaus der Inneneinrichtung, er muß auch vom allgegenwärtigen Asbest befreit werden.

In vier Jahren soll Berlin als Parlamentssitz »voll funktionsfähig« sein, beschloß der Bundestag in seinem Berlin-Votum. Bundesbaupräsidentin Jacubeit möchte noch nicht versprechen, ob der Reichstag wirklich bis 1995 bereitsteht. In der Zwischenzeit müssen sich die Abgeordneten bei Berlin-Gastspielen mit Notlösungen behelfen. Für die Plenarsitzungen ist nicht nur das ICC im Gespräch, sondern auch die alte Kongreßhalle im Tiergarten. Auf sie hat freilich auch schon der Bundesrat begehrliche Blicke geworfen — ganz abgesehen davon, daß das »Haus der Kulturen der Welt« sein Domizil gern behalten würde. Die Bundestagsverwaltung könnte nach Branoners Meinung auch in das ehemalige Ministerratsgebäude an der Klosterstraße ziehen. Für Ausschußsitzungen des Bundestages würde Jacubeit unter Umständen das frühere Staatsratsgebäude empfehlen, nicht aber den benachbarten Palast der Republik. Denn der ist bekanntlich hoffnungslos asbestverseucht.

In Reichstagsnähe müssen schließlich auch Neubauten mit Abgeordnetenbüros entstehen, die den legendären »Langen Eugen« im Bonner Tulpenfeld ersetzen können. Dafür sind Flächen im Spreebogen im Gespräch, ebenso auch Areale nördlich der Spree, die bislang für die Bundesgartenschau 1995 reserviert waren. Schon im nächsten Jahr, hofft Staatssekretär Branoner, könnten hier die Baugruben ausgehoben werden. Barbara Jacubeit ist weniger optimistisch. »Das scheint mir ein sehr schneller Herr zu sein«, kommentiert sie Branoners Zeitpläne.

Der Senat will in der Tat auf die Tube drücken. In acht Jahren, glaubt Branoner, kann die Hauptstadt Berlin voll bezugsfertig sein. Im Bonner Bauministerium ist man vorsichtiger: Dort setzt man sich eher eine Frist von zwölf Jahren. Immerhin lobten die Bonner Bauministerialen gestern erstmals die »sehr guten Vorarbeiten«, die der Senat schon geleistet habe. Schon vor einigen Wochen hatte CDU-Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer sein Sandkastenmodell einer »Hauptstadt der kurzen Wege« präsentiert, bei der in erster Linie auf existierende Bauten zurückgegriffen werden soll. So gibt es zahllose Büroklötze, die früher der DDR-Regierung und der SED dienten, etwa das ehemalige ZK-Gebäude. Heute sitzen hier oft nur kleine Außenstellen der Bonner Bundesministerien. Branoner hat jedenfalls schon viele »Leerstände« registriert.

Über den künftigen Amtssitz des Bundeskanzlers hat zumindest Helmut Kohl bereits klare Vorstellungen. Er würde, so heißt es, gern ins elegante Kronprinzenpalais einziehen. Gattin Hannelore war schon vor Wochen auf Wohnungssuche in Berlin. Gesichtet wurde sie nicht nur in der Villa Lemm in Wannsee, sondern auch in der Villa von der Heydt am Landwehrkanal. Hans-Martin Tillack