„Stolz auf ein Jahr Rot-Grün in Niedersachsen“

Positive Bilanz von Ministerpräsident Gerhard Schröder/ Erfolg für die Koalition, aber nur wenige Pluspunkte für die Grünen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

„Diese rot-grüne Koalition wird vier Jahre dauern und meiner Einschätzung nach auch noch länger“, sagte Ministerpräsident Gerhard Schröder, als er am Donnerstagabend das erste Jahr des Regierungsbündnisses zwischen SPD und Grünen in Niedersachsen bilanzierte. Den „Stolz auf dieses erste Jahr Rot-Grün“, den Schröder in seiner Bilanz an den Tag legte, mag macher für deplaciert gehalten haben. Doch in der Tat hoffen nach diesen ersten 365 Tagen der Regierung Schröder nicht einmal mehr die Oppositionsfraktionen im Niedersächsischen Landtag darauf, daß dieses rot-grüne Bündnis nach hessischem oder Berliner Muster vorzeitig zuende gehen könnte.

Für die so untypische Stabilität der Koalition macht Schröder „die Übereinstimmung im Stil der Poltik“ verantwortlich und den „freundschaftlichen Umgang miteinander, und den Willen zur Einigung in Konflikten“. Eine solche Konstellation brauche für Schröder vor allem „mehr Kommunikation“, sprich mehr interne Absprachen im Vorfeld kritischer Probleme. Kritische Punkte hatten in diesem ersten Koalitionsjahr allerdings bisher vor allem die Grünen zu bewältigen. Mit Blick auf die Klientel der SPD konnte Schröder daran erinnern, daß Niedersachsen trotz der finanziellen Mehrbelastungen durch die deutsche Einheit an die Umsetzung der wichtigsten sozialdemokratischen Wahlversprechungen gegangen ist: Auf dem Weg sind die Lernmittelfreiheit, ein Kindergartenprogramm und es wurden in einem Jahr 1.600 Lehrer eingestellt. Schröder lobte sich auch für seinen guten, der Wirtschft des Landes förderlichen Kontakte zur Industrie. Die Grünen können allerdings nach diesem ersten Koalitionsjahr sehr viel weniger auf ihre Habenseite schreiben: Das AKW Stade wurde nicht, wie in den Koalitionsverhandlungen versprochen, abgeschaltet. Das Planfestellungsverfahren für Schacht Konrad mußte fortgesetzt werden. Die Daimler- Benz-Teststrecke wird gebaut. Wenn es in der Atompolitik drunter und drüber geht, trifft es allemal die Grünen: Dem ersten vom Wirtschaftsminister „versehentlich“ erlassenen Hauptbetriebsplan für Gorleben wurde ein zweiter nachgeschoben. Selbst als jüngst der Atommüll aus dem belgischen Mol nach Gorleben unterwegs war, mußte wiedereinmal die BI Lüchow-Dannenberg das Umweltministerium mobilisieren. Der Pressesprecher der BI las von dem anrollendem Mol-Müll in der Zeitung und hatte anschließend einen ahnungslosen Leiter der Atomabteilung im Umweltministerium am Telefon. Nur die CDU kam auf die abstruse Idee, Umweltministerin Monika Griefahn, deren grüner Staatssekretär Peter Bulle und der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann hätten in Wahrheit „konspirativ“ die Blockaden organisiert. Das schweißte die Koalition wieder mal zusammen, der Polizeieinsatz in Gorleben war kein Thema mehr.

Einer der größten Pluspunkte für Rot-Grün in Niedersachsen ist in der Tat die Opposition im Landtag selbst. Da hilft es der desolaten niedersächsischen CDU auch nichts, daß auf Karikaturen Schröder, als von dem grünen Bundesratsminister Jürgen Trittin geführte Kasperpuppe darstellt. Seit Ernst Albrecht die Landespolitik verlassen und seine Ersatzfrau Rita Süßmuth von den Niedersachsen endgültig vergrault wurde, haben die CDU-Truppen außer einem rüden Ton im Landtag weder programmatisch, geschweige denn personell eine Alternative zu bieten. Die Strategie der CDU, ein Übergewicht der Grünen in der Regierung zu behaupten, „hat uns das Regieren nicht unnötig schwer gemacht“, konnte da der Ministerpräsident gelassen feststellen. Der in Wahrheit bereits arg gebeutelte kleinere grüne Partner gewinne dadurch doch nur an „Selbstbewußtsein“, werde „stabilisiert“. Immerhin eine ferne Belohnung kann Schröder in Aussicht stellen für die grüne Selbstdisziplin, mit der bisher alle Widerstände der Basis überwunden wurden: „Die Grüne Partei hat inzwischen ein Stadium der Entwicklung erreicht“, so sagte Schröder, angesichts dessen, daß „sich die SPD Rot- Grün als Option für den Bund zumindest offenhalten“ müsse.