: Karriere plus Frau gleich fehlender Kindergartenplatz?
Die Messe „Top '91 — Frauen sind Spitze“ ist ein Sammelsurium aus Werbung, Konsumangebot und Lebenshilfe/ Beruflich engagierte Frauen, die sich arbeitsbezogen und professionell präsentieren, bleiben im Hintergrund/ Allenthalben stolpert die Besucherin über die weibliche „Biologie“ ■ Aus Düsseldorf Donata Riedel
Die Stadtwerke Düsseldorf präsentieren ihr Bild der Frau. Etwas ratlos schaut die Mittzwanzigerin drein; und wen wundert's, fliegen doch in hoher Geschwindigkeit Staubsauger, Kaffeemaschine, Mixer, Eierkocher und gar ein Heizkörper um sie herum. „Nutzen Sie Ihre Energie sinnvoll!“ mahnt das Monumental- Plakat des Energieversorgers in Halle1 auf dem Messegelände der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt.
Ein paar Schritte weiter in Halle2 eröffnet Bürgermeisterin Marlies Smeets die viertägige Ausstellung: „Die Top '91 will zeigen, was Frauen leisten, auch auf Feldern, die noch als Männerdomänen gelten.“ Stärken auch wollen die Veranstalterinnen — Düsseldorfs Messegesellschaft Nowea, die Helga-Stödter- Stiftung zur Förderung von Frauen für Führungsaufgaben und das Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW) — das Selbstbewußtsein von Frauen im Berufsleben. Mut machen wollen sie ihnen, Führungsaufgaben zu übernehmen. „Aber natürlich nicht gegen, sondern in wirklicher Partnerschaft mit dem Mann“, besänftigt die Bürgermeisterin das knappe eine Prozent ihrer männlichen Zuhörer, das möglicherweise Angst bekommen könnte vor dem Verlust geschlechtsspezifischer Privilegien.
Zuvor hatte sich die Presse ein Bild von den Besucherinnen der Top '91 machen dürfen. Neun kräftige, männliche Fotografen bauten sich vor dem Auditorium auf und ließen ihr Blitzlichtgewitter auf die Frauenversammlung herniederprasseln. Ihre einzig weibliche Kollegin hätten sie dabei beinahe zerquetscht. Wenig später philosophiert am selben Orte ein Herr aus dem Vorstand der Firma Philips über „die Biologie“, die in der „Lebensplanung von Frauen ja eine Rolle spielt“. Doch weil gemischte Teams effizienter arbeiten würden als reine Männergruppen, habe sich die Firma entschlossen, Frauen für Führungspositionen zu fördern — ohne Quotierung, weil „uns bewußt war, daß das nicht von heute auf morgen gehen kann“. Unbeantwortet ließ der nette Herr die Frage einer jüngeren Frau aus dem Publikum, warum sich Philips nicht — wie in anderen Unternehmensbereichen üblich — klare Ziele in der Frauenförderung vorgeben würde, deren Erreichen oder Nichterreichen regelmäßig zu überprüfen sei. Aber vielleicht arbeitet der Elektronikriese ja gar nicht nach diesem unternehmerischen Prinzip. Der Männerclub an der Spitze hat den Konzern schließlich tief in die roten Zahlen gewirtschaftet.
Über „die Biologie“ stolpert die Besucherin schon wieder in Halle3. Partnerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung, der Notruf für vergewaltigte Frauen und die Schützer des ungeborenen Lebens führen in unbeabsichtigter Gemeinsamkeit weg vom Thema der Messe, die ja Leistungen von Frauen im Berufsleben zeigen will. Oder ist es tatsächlich noch immer so, daß uns allen zum Thema Leistung in der Kombination mit Frau zu allererst all das einfällt, was Frauen hindert, außerhalb der Familie Leistung zu zeigen? Karriere plus Frau gleich fehlender Kindergartenplatz?
Im Sammelsurium der Top '91 aus Großfirmenimagewerbung (Wir fördern Frauen, also fahrt Volvo, VW, Mercedes, BMW...) und Konsum (Schmuckstände, Keramikwerkstätte, Wohndekorationen und Lebenshilfelitaratur) dauert es eine Weile, beim Rundgang die Frauen zu finden, die das Motto „Top '91 — Frauen sind Spitze“ berufsweltbezogen präsentieren. An einem kleinen Stand steht Hanne Kircher, die „2005 — die 1. Werbeagentur von Frauen“ gegründet hat, weil sie es nach zwanzig Jahren satt hatte, als Frau über eine bestimmte Karrierestufe nicht hinausgelassen zu werden. Anfangs war es schwer, berichtet sie, überhaupt Kunden für eine reine Frauenagentur zu finden. Auch und gerade in der sich modern gerierenden Werbebranche herrschten enorme Vorurteile gegen leitende Frauen. Wie zur Bestätigung tritt ein Mann an ihren Stand: „Alles nur Frauen, kann das denn gutgehen?“
Gut geht es jedenfalls Helma Sick, die sich mit Finanzdienstleistungen für Frauen innerhalb von vier Jahren in der Marktlücke wunderbar einrichten konnte. Nebenher wirbt sie in Düsseldorf für Netzwerke, in denen sich Frauen mit zum Teil auch ungewöhnlichen Berufswegen kennenlernen sollen, um sich gegenseitig zu beraten und zu unterstützen. Sehr zufrieden ist auch Elke Lohrum, die mit ihrer Zeitarbeitsfirma gegen das Vorurteil kämpft, Zeitarbeit sei immer eine ungesicherte Beschäftigung — schließlich seien die Frauen (Sekretärinnen, Bürokauffrauen) bei ihr fest und sozialversichert angestellt. Und die Emma-Redakteurinnen werben selbstironisch mit all jenen Attributen der Karrierefrau, die die Messeveranstalterinnen mit großem Energieaufwand unbedingt vermeiden wollen: „Männerfeindlich, humorlos, frigide, frustriert, verbiestert, von gestern — wenn das alles ist, was Sie über Emma wissen, sollten Sie einfach mal reinschauen.“
So zeigen gerade die Frauen aus der feministischen Ecke, die von den Veranstalterinnen nur zögerlich und mangels Interesse der Großkonzerne (taz berichtete) eingeladen wurden, wie in zwei Jahren die geplante Top '93 aussehen könnte: Eine Messe von beruflich engagierten Frauen, die den weiblichen Nachwuchs fördern wollen, präsentieren ihre Erfolge und informieren Frauen über Ausbildungs- und Aufstiegschancen. Vielleicht merken bis dahin auch die Stadtwerke Düsseldorf, daß Frauen außer mit Kaffeemaschinen und Eierkochern gelegentlich auch mit Laptops und Taschenrechnern umgehen.
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