Gedankentauschhandel

■ In der Akademie der Künste wurde die Europäische Sommerakademie für Film eröffnet

Die 2. Europäische Sommerakademie 91 für Film hat am Wochenende mit einem dreitägigen Filmszenografie-Symposium in der Westberliner Akademie der Künste am Hanseatenweg begonnen. Die Tagung wurde bereits zum zweiten Mal von der Abteilung Film und Medienkunst der Akademie unter Leitung des Regisseurs Peter Lilienthal ausgerichtet. Bis zum 19. Juli werden bei über 100 Veranstaltungen nahezu 70 Filme gezeigt.

Darunter sind auch fünf Arbeiten des DEFA-Dokumentaristen Jürgen Böttcher wie Die Mauer (1991). Zur Aufführung kommen berühmte Zeugnisse internationaler Filmkunst, darunter Federico Fellinis Satyricon (1969) und Andrej Tarkowskis Stalker (1980). Weit zurückgeblendet wird im Workshop »Die Treppe« mit Hintertreppe von Leopold Jeßner/Paul Lenis (1921) und Robert Wienes Raskolnikow (1923). Ein weiteres Seminar läuft unter dem Thema »Stadt-Imagination« mit Beiträgen von Joe Mays (1925) und Luis Trenkers (1933/34). Zusätzlich wurde für den 8. und 9. Juli ein Gespräch »Medien — Alltag — Krieg« mit Bezügen zum Golfkonflikt ins Programm genommen.

Unter den prominenten Filmszenaristen aus fünf Ländern befindet sich auch DEFA-Architekt Alfred Hirschmeyer, der unter anderem Nackt unter Wölfen, Karbid und Sauerampfer, Goya, Solo Sunny und Der Tangospieler ausstattete. Lilienthal begrüßte ebenfalls Henri Bumstead (USA), der bei mehreren Filmen mit Alfred Hitchcock zusammenarbeitete, Andrea Crisanti (Italien), bekannt durch Christus kam nur bis Eboli, Thierry Flamand (Frankreich), der für Wim Wenders Bis ans Ende der Welt szenografisch gestaltete, Peter Lamont, der an 14 James-Bond- Filmen beteiligt war, Robert Lang (Gandhi) sowie den Spanier Felix Murcia (Carmen mit Regisseur Carlos Saura). Lilienthal bedauerte, daß Grigori Medwedjew die Ausreise durch die sowjetischen Behörden verweigert wurde.

Unter dem Titel »Filmphantasien zwischen Mythos und Mathematik« werden sich Science-Fiction-Autoren aus Deutschland sowie William Gibson und Samuel R. Deany (beide Großbritannien) zusammenfinden.

Für die mehr als 30 nichtöffentlichen Seminare haben sich rund 700 vorwiegend europäische Teilnehmer angemeldet. Als Ziel der Sommerakademien bezeichnete Lilienthal die ungezwungene Behandlung von Themen, die an Hochschulen sowie bei Festivals und Wettbewerben zu kurz kommen. Einige der internen Veranstaltungen hätten im Interesse ihrer Intensität nicht mehr als zehn Teilnehmer. Andererseits werde es Gedankenaustausch im großen Forum geben. Den Filmvorführungen sollen sich nach seinen Vorstellungen bei Publikumsinteresse Foyergespräche anschließen.

Die 1. Berliner Sommerakademie 1990 hatte sich unter anderem den neuen Medien und der Computerkunst gewidmet. Dazu waren Filmstudenten aus Portugal, Polen, Rumänien, Babelsberg und dem damaligen Westberlin eingeladen worden. Neben Regisseuren beteiligten sich auch Philosophen, Kybernetiker, Medienwissenschaftler und Produzenten. adn