Körper am Klavier

■ Schwul-lesbische Filme zum CSD

Das seit wenigen Wochen existierende »Lesbische und Schwule Büro Film« hat rund um den Christopher Street Day ein Filmprogramm zusammengestellt, das vom 24. bis 28. Juni in verschiedenen Kinos präsentiert wird. Abgesehen von der Auswahl des »New York Gay and Lesbian Experimental Film Festival« und dem südafrikanischen Out in Africa, zu sehen am Donnerstag, sind die Filme nicht ganz neu und mehr schwul als lesbisch.

Eröffnet werden die homosexuellen Filmtage von Derek Jarman, der eigens aus Großbritannien anreist, um über die Situation der Lesben und Schwulen seines Landes zu berichten, die einer völlig lächerlichen, aber nicht minder homophoben Gesetzgebung ausgeliefert sind. Eines der neuesten Hirngespinste der englischen Gesetzgebung heißt Clause 25. Der 1990 verabschiedete Paragraph ist ein geistiger Ableger des Weltbildes von Maggie Thatcher und verstärkt die Kriminalität lesbischer Frauen und schwuler Männer auf groteske Weise. Weniger als ein öffentlicher Kuß reichen aus, damit sich britische Lesben und Schwule dem Vorwurf von »public distress«, ernsthafter »sex crimes« starfbar machen. Im anschließenden Kurzfilmprogramm werden Arbeiten von Regisseuren aus dem Umfeld Jarmans gezeigt. In Ostia von Julian Cole (1986/87) spielt er selbst den italienischen Maler, Poeten und Regisseur Pier Paolo Pasolini, dessen Tod rekonstruiert wird. Allerdings wurde die filmische Handlung in die englische Subkultur verlegt. Pasolini gibt sich als Voyeur schwuler Straßenjungs zu erkennen, der aus der Abschlossenheit seines Autos erotische, aber auch gewalttätige Szenen beobachtet. Aus dem Off führt er Monologe mit einem jungen Mann, den er in seinen Wagen steigen läßt — es handelt sich um seinen späteren Mörder. Die düsteren Farben der vorwiegend nächtlichen Handlung sowie eine Melange aus Erotik und Brutalität sind Symptome und Vorboten des herannahenden Todes von Pasolini, der nicht zuletzt Opfer seiner fiktiven Charaktere, das heißt seiner eigenen Phantasie wird. Illegal Tender von Paul Bettell stammt ebenfalls aus den Jahren 86/87. Vor dem wenig idyllischen Hintergrund einstürzender Gebäude wird stimmungsvoll die Liebesgeschichte zweier Männer erzählt, gebrochen durch bedrohlich anmutende Sequenzen. Dream Machine heißt die Hommage von vier Regisseuren an den Schriftsteller William S. Burroughs. Im 1. Teil unternimmt wiederum Jarman ästhetische, spielerische Kamerafahrten einen nackten Männerkörper entlang. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit unterliegt romantischer Verträumtheit; dazu wird malerische Klaviermusik gereicht. John Mayburys letzter Film zog heftige Debatten mit dem koproduzierenden British Film Institute nach sich, denn die provokanten Bilder suggerieren blutige Imaginationen, roter Nebel, rohes Fleisch, kannibalische Tendenzen. Mit Hilfe diverser Bildmontagen soll die Mechanik von Sexualität demonstriert werden. Doch Dream Machine ist ein ehrlicher Film, es werden nicht nur die zaghafte, romantisierende Liebe heraufbeschworen, sondern auch knallharte, blutrünstige Sex-Phantasien. Andrea Winter

20 und 22.30 Uhr im Kant-Kino, Derek Jarman ist anwesend.