Wie schön ist Scheitern?

Der 1.FC Köln scheitert im Elfmeterschießen mit 4:5 an Keeper Oliver Reck und Werder Bremen holte endlich und im dritten Anlauf in Serie den langersehnten DFB-Pokal  ■ Aus Berlin Christoph Biermann

Seine Mannschaftskameraden standen glücklich winkend auf dem Rasen und wußten nicht wohin mit ihrem Glück. Nur er fehlte noch. Aber schon tauchte er mit leichtem Schwung unter der Kordel weg, mit der die Fotografen zurückgehalten wurden, und lief strahlend auf die Seinen zu. Dabei hielt er den Pokal so sicher und fest am Herzen als wolle er ihn nie mehr loslassen. Doch plötzlich holte er weit aus und warf den Cup mit den 43 Edelsteinen hoch in den Himmel über dem Olympiastadion. Einige Schrecksekunden lang trudelte die Trophäe durch die Nacht, dann landete sie wieder sicher in den Armen des Helden von Berlin. Erleichtert beklatschten alle die zweitbeste Parade von Werders Torwart Oliver Reck an diesem Tag. Der Pokal war gerettet.

Zwei lange Stunden hatte Reck für ständige Aahs und Oohs von den Rängen gesorgt. Alle warteten auf solch entscheidende Fehler wie bei den beiden letzten Finals gegen Dortmund und Kaiserslautern, als Oliver Reck Werders Gegnern den Pokalsieg beschert hatte. Die Mißgriffe aus dem letzten Jahr waren kurz vor dem Anpfiff auf der Anzeigetafel gemeinerweise sogar noch einmal vorgeführt worden.

Und auch beim dritten Endspiel in Serie flog Reck wieder so unter und neben den Bällen her, daß es auf den Rängen immer wieder zu Mitleidsaffekten kam. Für einen finalen Patzer reichte es aber nicht. Am Ausgleichstor von Maurice Banach war er sogar völlig schuldlos.

Letztlich gehörte das Warten auf Reck zu den spannenderen Aspekten des Endspiels. Nach stürmischem Beginn der Bremer wurde der Kick nämlich immer trostloser. Die Kölner versuchten zwar ihr bestes, aber im Jahr 1991 ist das nicht mehr viel. Bodo Illgner, der beste Torwart der Bundesliga, und ein angeschlagener Pierre Littbarski sind alles, was vom rheinischen Glanz vergangener Jahre übriggeblieben ist. Der Rest ist nicht mehr als Bundesliga-Durchschnitt, auch wenn Horst Heldt nach seiner Einwechselung wenigstens für etwas Aufregung sorgte.

Werder Bremen hingegen war auch in diesem Spiel eine Mannschaft, deren Spielweise immer wieder die Adrenalinproduktion hochkitzelt. Durchgehend gut besetzt, spielerisch und taktisch sehr gut eingestellt, könnten sie eigentlich Traumfußball spielen. Nur tun sie es nicht, sondern beschränken sich auf gepflegten Zweckfußball. Fast wäre Werder dafür noch bestraft worden. In der Verlängerung wachte nämlich auf einmal der 1.FC Köln und damit das Spiel auf. Drei richtige Torchancen hatten Banach, Götz und Littbarski sogar, um die kommenden Schrecken noch abzuwenden.

So kamen beide Mannschaften nicht um das Elfmeterschießen herum, diese häßliche Maschine zur Produktion von Helden und Versagern. Den ersten Elfer schoß Rudy am Tor von Reck vorbei. Allofs rutschte für Bremen aus und Illgner konnte leicht parieren. Ein Tribünennachbar fluchte schon: „Bei dem Spiel gelingt auch gar nichts.“ Doch dann ging's los. Higl und Rufer trafen ausgleichend. Als nächster schlurfte Litti, müde und geschafft, zum Elfmeterpunkt. Und so traurig wie sein Spiel an diesem Tag war auch der Schuß aufs Tor. Oliver Reck kann ihm dafür auf ewig dankbar sein. Den Schuß konnte der Torwart halten, und diese Parade machte ihn zum Matchwinner, zum umjubelten Helden, von seinen Mannschaftskameraden umarmt, von 20.000 Bremern gefeiert.

„Er hat heute alles zurückbekommen“, sagte Otto Rehagel hinterher und schwenkte dann gleich ins Allgemeingültige um. „Wenn du lange genug wartest, immer fleißig und artig bist, wirst du am Ende auch belohnt.“

Das ist zwar Quatsch, aber Sieger sind nun mal so. Irgendwie doof. Oliver Reck war als tragische Figur der beiden letzten Jahre auch eine viel romantischere Figur als jetzt, wo er „so ein Tag, so wunderschön wie heute“ sang und behauptete, es seinen Kritikern aber gezeigt zu haben. Wer hatte dagegen nicht die Kölner und ihre Tränen gern? Wer konnte nicht mit Erich Rutemöller fühlen, der mit einer Stimme aus dem Jenseits Schwerblütiges deklamierte wie „sehnlichst gewünscht“, „in dieser Stunde“, „es trifft uns alle“, „total zerstört“. Der Mann war am Ende. Innerhalb von sieben Tagen war er zum zweiten Mal Staffage beim Jubel der Sieger. Am letzten Wochende bei der Meisterschaft des 1.FCKaiserslautern und jetzt beim Pokalfinale. Im Uefa-Cup spielt Köln im nächsten Jahr auch nicht. Vielleicht hört da die Romantik des Scheiterns auch auf.

Bremen: Reck - Bratseth - Votava, Borowka - Wolter, Eilts, Hermann (75. Sauer), Neubarth (72. Harttgen), Bode, - Rufer, Klaus Allofs.

Zuschauer: 73.270

Tore: 0:1 Eilts (48.), 1:1 Banach (62.); Elfmeterschießen: Rudy - schießt vorbei, Allofs - Illgner hält, Higl 2:1, Rufer 2:2, Littbarski - Reck hält, Bratseth 2:3, Banach 3:3, Harttgen 3:4, Götz 4:4, Borowka 4:5.

1. FC Köln: Illgner - Jensen - Baumann, Gielchen - Greiner, Littbarski, Higl, Andersen (95. Rudy), - Götz, Sturm (60. Heldt), Banach.