Frankreich schiebt Marokkaner ab

Paris schob einen in Marokko zum Tode verurteilten Buchautor nach 15 Jahren nach Gabun ab  ■ aus Paris Bettina Kaps

Gegen die „raison d'etat“ hat das Asylrecht keine Chance. Das erfuhr jetzt der Marokkaner Abdelmoumen Diouri, der 15 Jahre lang als politischer Flüchtling in Frankreich lebte: Diouri wurde am Donnerstag abend festgenommen und kurzerhand nach Gabun abgeschoben. Das Innenministerium rechtfertigte seinen Beschluß als „dringend notwendig für die Staatssicherheit“ — nur dieser Grund erlaubt es dem Staat, einen politischen Flüchtling ohne Einschaltung eines Gerichts loszuwerden. Diouri werden ominöse Kontakte zu „ausländischen Mächten“ in Libyen und Irak sowie zu palästinensischen Gruppen vorgeworfen. Die Sozialistische Partei verlangte am Sonntag Erklärungen über den Regierungsbeschluß.

Menschenrechtsgruppen und Medien befürchten, daß Diouri einem Kuhhandel mit der marokkanischen Regierung zum Opfer fiel. Marokko will offenbar das Erscheinen des Buches Wem gehört Marokko? verhindern, in dem Diouri enthüllt, wie der König sein Land wirtschaftlich ausblutet. Im vergangenen Herbst hatte bereits der französische Autor Gilles Perrault mit dem Bestseller Unser Freund, der König über die Menschenrechtsverletzungen in Marokko große Spannungen zwischen Frankreich und Marokko verursacht.

Im Gegenzug, so wird vermutet, dürfte Marokko angeboten haben, Einfluß auf die maghrebinischen Kreise in Frankreich auszuüben, um die sozialen Spannungen in den Vorstadtghettos zu entschärfen. Hassan II. hatte bereits Ende 1989 dazu beigetragen, die Affäre um den islamischen Schleier zu beenden. Eine Woche vor der Ausweisung von Diouri hatte der französische Innenminister mit seinen marokkanischen Amtskollegen in Paris die Probleme der Banlieue erörtert. Bei den jüngsten Unruhen in Mantes-la-Jolie waren drei junge Marokkaner festgenommen worden.

Verschiedene Menschenrechtsgruppen befürchten, daß Diouri in Gabun nicht sicher sein kann: Präsident Omar Bongo ist eng mit Hassan II. befreundet und läßt seine Leibwächter in Marokko trainieren; zwischen beiden Ländern besteht ein Auslieferungsabkommen. Das marokkanische Regime dürfte erfahren wollen, von wem Diouri seine Informationen über die Lage in Marokko bezieht.

Diouri war 1964 wegen Verschwörung gegen Hassan II. in Marokko zum Tode verurteilt worden. Damals hatte er vor Gericht die Folterungen des Regimes enthüllt. Ein Jahr später wurde er begnadigt und in Frankreich als politischer Flüchtling anerkannt. Diouris Verleger berichtete, daß der französische Geheimdienst bereits seit Monaten Druck auf Diouri ausübte, damit er sein Buch nicht in Frankreich veröffentliche.