Das teure Vergnügen der U-Bahn-Sanierung

■ City-Strecke vom Alex zum Zoo wird wieder geschlossen/ Historisches Kernstück der Berliner U-Bahn soll 1993 wieder befahrbar werden/ Bausenator Nagel rechnet mit Kosten von 180 Millionen Mark/ 60.000 Fahrgäste täglich erwartet

Potsdamer Platz. Die »Zeit der Ankündigungspolitik«, sagte der Bausenator stolz, sei nun vorbei, man beginne mit dem »Handwerklichen«. Mit Mundschutz und Helm kletterte Nagel gestern auf einem Gestell im stillgelegten U-Bahnhof Potsdamer Platz herum, und ließ sich dabei den Schlips mit Schutt berieseln. Eigenhändig riß er uralte Gipsplatten ab. Mit dieser Inszenierung bemühte er sich, die Öffentlichkeit vom lange versprochenen Baubeginn an der Linie 2 zu überzeugen. Daß sich dieser verzögert hatte, daran sei die Bonner Regierung schuld gewesen. Die habe das Projekt, mit dem die Zentren von West- und Ost-Berlin verknüpft werden sollen, zunächst als unsinnig betrachtet.

Massiver Widerstand war allerdings auch schon von der M-Bahn- Lobby gekommen. Das verkehrspolitisch nutzlose Vorzeigestück muß wieder abgerissen werden, weil ein Teil seiner Fundamente einfach in den alten U-Bahn-Tunnel gegossen worden waren. In spätestens zwei Jahren sollen hier wieder regulär die Züge rattern.

Die vier Kilometer lange verrottete Lücke im Netz der einstigen Linie A zwischen den Bahnhöfen Otto- Grotewohl-Straße und Wittenbergplatz, die vier Umsteigemöglichkeiten bietet, gehört zum 1902 eröffneten Urstück der Berliner U-Bahn. Schon 1912 wurde diese Verbindung von zwölf Millionen Menschen benutzt. Während auf dem Abschnitt zwischen Grotewohl-Straße (früher Kaiserhof) und Gleisdreieck seit dem Mauerbau nur noch Grenzsoldaten posierten, wurde das gekappte Hochbahnstück am Bülowbogen noch bis 1972 befahren, und dann erst wegen mangelnder Rentabilität geschlossen.

Die Sanierung der Strecke wird unterdessen zu einem teuren Vergnügen: Sämtliche Gleisanlagen, Schienen und Schwellen müssen erneuert werden, zwei Kilometer lange Brückenkonstruktionen aus der Jahrhundertwende sind zu einem großen Teil verrostet. Bevor der »Trog«, in dem die Bahn an der Bernburger Straße aus der Erde ans Licht fährt, wieder aufgebaut werden kann, muß erst die Magnetbahn verschwinden. Zudem ist der Tunnel am Potsdamer Platz nicht mehr regenwasserdicht. Sämtliche Elektroanlagen müssen sogar bis nach Pankow neuverlegt werden: Die Ost-BVB arbeitet mit einem Energiesystem, das bei einer Verbindung der Teillinien nicht kompatibel wäre. Mindestens 180 Millionen Mark wurden vorerst für die Gesamtsanierung veranschlagt. Profitieren sollen davon auch östliche Bauunternehmen.

Nach der Wiederinbetriebnahme im Sommer 1993, so wird geschätzt, soll das sanierte Stück täglich von 60.000 Menschen benutzt werden. Dann werden die Bahnen der Linie 2 — wie noch in den 50er Jahren — von Pankow aus durch die City bis nach Ruhleben (zweiter Teil der heutigen U1) fahren; die Strecke der U1 dagegen wird erst wie gehabt vom Schlesischen Tor zum Wittenbergplatz gehen, danach aber den Weg der jetzigen U2 nach Krumme Lanke fahren. Die zum Teil abgebrochene Viaduktstrecke vom Schlesischen Tor über die denkmalgeschützte Oberbaumbrücke bis zum S-Bahn-Ring (Warschauer Straße) soll ebenfalls bald wieder aufgebaut werden.

Für die schon seit Jahrzehnten diskutierte Verlängerung der Strecke bis Pankow-Kirche fehlt Nagel derzeit jedoch das Geld. Der scharf kritisierte offene U-Bahntunnel auf der Berliner Straße, der seit 1988 den Hauptverkehr zwischen Pankow und Prenzlauer Berg abschneidet, sei der altmodischen Technologie aus DDR-Zeiten geschuldet. Die BVG müsse nun jedoch weiter danach verfahren. Dort entstehen Abstell- und Reparaturgleise, die durchaus in eine spätere Streckenführung einbezogen werden könnten. cat