In Polen schießen neue Banken wie Pilze aus dem Boden

Auch die Solidarność steigt ins angeblich krisensichere Geschäft ein und gründet eine Joint-venture-Bank mit einem US-amerikanischen Milliardär  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Polen erlebt einen regelrechten Bankenboom. Im ersten Quartal 1991 haben bereits 57 Banken eine Lizenz der Nationalbank erhalten, darunter sind 22 Banken mit einer Mehrheit von privaten Aktionären. Bis Ende des Jahres sollen auch zwei jener neun Banken privatisiert werden, die 1989 als kommerzielle Banken aus der Polnischen Nationalbank und der staatlichen Sparkasse PKO ausgegliedert worden waren. Einiges deutet darauf hin, daß sie dann Probleme haben werden, sich in Polens neues Bankensystem einzufügen. Einige bis vor kurzem noch von Staatsbetrieben beherrschte Banken haben sich bereits selbst privatisiert, hinzugekommen sind auch Banken mit ausländischem Anteil.

Grundsätzlich unterliegen Auslandsbanken in Polen nicht dem Gesetz über Auslandsinvestitionen, sondern der Genehmigungspflicht der Nationalbank. Während polnische Bankengründer nur 10 Milliarden Zloty Gründungskapital vorweisen müssen, werden von Joint-venture-Banken sechs Millionen Dollar verlangt. Die erste Bank, die davon Gebrauch gemacht und auch bereits den Schalterbetrieb aufgenommen hat, ist die „Amerbank“, an der 80 Prozent der Anteile amerikanische Firmen unter Führung der American Resources Corporation halten. Von den 22 Privatbanken hat bisher erst die Hälfte den Schalterbetrieb aufgenommen — den anderen fehlen noch die notwendigen Gebäude.

Im Juli wird mit der Eröffnung der Gdansker Solidarność Chase D. T. Bank AG gerechnet, einem Joint- venture der Wirtschaftsstiftung der Gewerkschaft Solidarität mit dem amerikanischen Milliardär David Chase. Chef der Bank, an der 51 Prozent der Amerikaner hält, wird Jacek Merkel, bis vor kurzem Staatsminister bei Lech Walesa.

Zwei Millionen Ecu (vier Millionen Mark) werden indessen die französische Credit National und die österreichische Invest-Kreditbank in ein gemeinsames Unternehmen mit der Polnischen Entwicklungsbank AG, zur Zeit noch eine hundertprozentige Staatstochter, investieren. Mit eher symbolischen Einlagen beteiligen sich dagegen die Credit Foncier und die Caisse Centrale de Credit Cooperatif an der „Bank für Sozialpolitische und Wirtschaftliche Initiativen“ des ehemaligen polnischen Sozialministers Jacek Kuron, der so über die Förderung des Mittelstandes die Arbeitslosigkeit bekämpfen will. Die Bank wird mehrheitlich vom „Arbeitsfonds“ des Sozialministeriums beherrscht.

Eine der ersten privaten Banken, die sich noch dazu am schnellsten entwickelt hat, ist die „Bank für Wirtschaftliche Initiativen“, abgekürzt BIG AG, die ursprünglich von der Post, der Versicherungsgesellschaft Warta und der Außenhandelszentrale Universal gegründet worden war und sich dann über die Ausgabe von Aktien privatisierte. Inzwischen gelten die Aktien der BIG- Bank als der Renner unter den Wertpapieren, da sie für 1990 die höchste Rendite — weit über der Inflationsrate — abwarfen. Die Bank ist inzwischen zu 87 Prozent privat, was auch damit zusammenhängt, daß sich einer der größten Anteilseigner, die Außenhandelsfirma Universal, inzwischen auf dem gleichen Weg in eine private Aktiengesellschaft verwandelt hat — ebenfalls mit bemerkenswerter Aktienrendite. Beide Firmen, sowohl BIG als auch Universal, sind bisher an der Warschauer Börse nicht notiert.

Von Anfang an als Privatbetrieb gegründet wurde dagegen die Krakauer Prosper Bank. Sie geriet in Polen in die Schlagzeilen, weil sie Aktien mit ordentlichem Aufschlag ans Publikum verkauft hatte, den Stammaktionären aber Vorkaufsrechte nur Nennwert und gleichzeitige Privilegierung mit mehrfachem Stimmrecht einräumte, eine inzwischen gängige Praxis der neuen Bankengründer. Die Prosper Bank vergab 55 Prozent ihres Stammkapitals ans Publikum, das dafür aber in der Hauptversammlung nur über 20 Prozent der Stimmen verfügen wird.

Auch andere Banken wollen auf diese Weise zwar ihr Risiko, nicht aber unbedingt ihre Hauptversammlung privatisieren. Fast immer gibt es bei Kapitalerhöhungen privilegierte Bezugsrecht für Altaktionäre, ausgegeben wird im Grunde eine Art Genußschein, ohne daß das aus den Prospekten immer hervorgeht. Die Empörung der Presse ist dann meist groß, da Genußscheine in Polen praktisch unbekannt sind und auch im Aktienrecht eigentlich nicht vorkommen. Privilegierte Aktien für die Gründer hat sich daher auch die Kattowitzer Kredithandelsbank AG vorbehalten, eine Privatbank, die sich auf die Beteiligung an Verlagen spezialisiert hat.

Der neue Vorsitzende der Nationalbank, Daniel Wojtowicz, hat inzwischen die Novellierung des polnischen Bankenrechts angekündigt. Wojtowicz will damit die Gesetzeslage an die Entwicklung auf dem Bankensektor anpassen. Künftig können polnische Devisenbanken dann auch leichter ausländische Wertpapiere erwerben, was zur Zeit nur per Ausnahmegenehmigung möglich ist; der bisherige Bankenrat wird zugunsten einer effektiven Bankenaufsicht abgeschafft. Die Buchführungsvorschriften sollen dann auch europäischen Maßstäben angeglichen werden.