Tauziehen

■ Schweden und die Alpenländer sollen sich gegen die EG-Zentrale behaupten

Tauziehen Schweden und die Alpenländer sollen sich gegen die EG-Zentrale behaupten

Die Eidgenossen werden europaweit für ihre hevorragende Verkehrspolitik gelobt, fördern sie doch die Bahn mit Milliardenbeträgen und beschneiden sie den LKW-Verkehr. Nun sollen die Laster-Sperren an den eidgenössischen Grenzen für den EG-Anschluß zur Seite geräumt werden. Die Österreicher beneidet man um ihre schönen Tiroler Alpentäler. Doch nun sollen fürs vereinte Europa noch mehr und noch größere Laster als bisher durch die Täler rollen und den Bergwald zerstören.

Die Schweden schließlich legen besonderen Wert auf chemiefreie Nahrungsmittel und haben eine Reihe von Chemikalien verboten. Doch nun sollen sie für die europäische Einheit das Gift wieder ins Land lassen.

Wie in jenem berühmten kleinen gallischen Dorf gelten an der Peripherie des Wirtschaftsmolochs EG bisher andere, ökologischere Spielregeln. Nicht etwa, weil die Alpenbewohner oder die Skandinavier per se ökologischer denken: entscheidend war vielmehr, daß denjenigen Branchen striktere ökologische Regelungen auferlegt werden konnten, die in diesen Ländern nicht heimisch sind. Die Schweizer bauen keine Autos, und in Schweden köchelt keine Chemieindustrie. In der EG hingegen hat jede Dreckbranche ihre Lobby, setzt sich die Industrie noch allemal durch.

Bisher haben die heruntergelassenen Grenzbäume die Einrichtung ökologischer Nischen bei „Nicht-Betroffenheit“ erlaubt, wurde den Efta- Ländern ermöglicht, umweltpolitisch zumindest teilweise voranzugehen. Schärfer gesagt: Die Demokratie in den Efta-Staaten konnte sich gegen ausländische Wirtschaftsgiganten durchsetzen, weil diese keine inländischen Verbündeten (Beschäftigten) haben. Diese für die Industrielobbyisten schwierigen Bedingungen versucht die Lastwagen- und die Chemielobby nun mit Hilfe der EG- Kommission zu umgehen. Die Efta-Staaten sollen ihren Umweltschutz auf dem Altar des europäischen Wirtschaftsraums opfern: Tauziehen also zwischen zentral und dezentral.

Die Efta-Länder sollten unbedingt ihr Ende des Seils schön festhalten. Dem Europa der Brüsseler Lobbyisten gilt es ein Europa der ökologischen Regionen entgegenzusetzen. Geradezu zur Hilfe verpflichtet sind dabei die EG-Parlamentarier: Oft genug haben sie Entschließungen verabschiedet, die das Abladen des ökologischen Mülls des einen Landes in den Vorgärten der anderen zu verhindern suchten. Dieses öko-politische Verursacherprinzip sollte erst recht für die Neuen gelten. Präzedenzfälle wie jetzt am Beispiel der Schweiz müssen beim Schopf ergriffen werden. Hermann-Josef Tenhagen