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Schauprozeß

■ Der Prozeß gegen die Antiterrorgruppen (GAL) in Spanien erzeugt eine neue Realität

Schauprozeß Der Prozeß gegen die Antiterrorgruppen (GAL) in Spanien erzeugt eine neue Realität

Vier Jahre lang haben die „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ (GAL) im französischen Baskenland Terror gesät. Der letzte ihrer 30 Anschläge kostete 1987 einen baskischen Deserteur das Leben. Daß nun immerhin zwei der mutmaßlichen Organisatoren vor Gericht stehen, ist einem mutigen Einzelkämpfer, dem Richter Baltasar Garzon, zu verdanken. Über drei Jahre hinweg hat er mit den Widerständen der spanischen Behörden und den Verschleierungsversuchen der sozialistischen Regierung gerungen, bis schließlich — auf Basis zahlreicher Zeugenaussagen und Beweise — Anklage erhoben wurde.

Doch der jetzige Prozeß wird nicht von Garzon geleitet, sondern von einem Richter, dem zuallererst die Staatsräson am Herzen liegt. Eine unheilige Dreifaltigkeit von Gericht, Verteidigung und Staatsanwalt erzeugt eine neue Realität. Die Repräsentanten des Staates versuchen nicht etwa, die Taten der GAL zu verharmlosen. In einem Land, in dem staatlichem Terror aufgrund der jüngsten Geschichte keine Sympathie entgegengebracht wird, muß dessen Existenz schlicht abgeleugnet werden. So verwandeln sich vor den Augen der erstaunten Prozeßbeobachter Berufskiller in respektable Personen. Amedo, mutmaßlicher Führer einer Terrororganisation, darf auf seine gute Erziehung pochen und wird von seinen Vorgesetzten wegen seiner Effizienz gelobt. In der Gemeinschaft der Demokraten, die von Staatsbeamten und Verteidigung vorgeführt wird, hat der Terror keinen Platz — oder nur gelegentlich, etwa wenn der ehemalige Innenminister José Barionuevo erklärt, Opfer der GAL seien nicht dasselbe wie Opfer der ETA: Der Terror — das sind immer die anderen.

Der Prozeß gegen die beiden Polizisten Amedo und Dominguez ist ein Schauprozeß im eigentlichen Sinne. Er zeigt mühelos, wie im Dienste der Staatsräson eine Realität unterdrückt und vor den Augen der Öffentlichkeit eine neue erzeugt wird. In diesem Sinn läßt er sich mit dem Prozeß gegen Sacco und Vanzetti und auch mit dem gegen die Birmingham Six vergleichen. Die vor Gericht erzeugte Realität hatte mit dem tatsächlich Geschehenen wenig zu tun. In der fiktiven Gemeinschaft der Demokratie werden die Opfer zu Unpersonen, die, wie die Opfer der GAL, nicht existieren, weil die GAL als terroristische Organisation nicht existiert. Der Prozeß in Madrid ist ein Schauprozeß. Es reicht, sich auf dem Fernsehschirm die Übertragung aus dem Gerichtssaal anzuschauen, um das zu verstehen. Amedos Kopf ist dort verdeckt — durch einen dicken Zensurbalken. Antje Bauer, Madrid

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