Staatliche Nebelwerfer in Spanien

In Madrid wird eine Connection zwischen Rechtsterroristen und Staat vor Gericht verhandelt  ■ Aus Madrid Antje Bauer

„Die Frage ist ausreichend beantwortet“, unterbrach der Vorsitzende Richter José Antonio Jimenez Alfaro am vergangenen Freitag den Zeugen, als dieser gerade zu Erklärungen ausholen wollte. Dabei war die Aussage von José Barrionuevo, ehemals spanischer Innenminister, ohnehin nicht von sonderlicher Redseligkeit gekennzeichnet gewesen. Wie alle Polizisten und Beamten, die in den vergangenen zwei Wochen vor dem Nationalen Gerichtshof befragt worden waren, zeigte sich auch Barrionuevo auffällig uninformiert über die Aktivität zweier seiner Untergebenen, des Unterkommissars José Amedo und des Inspektors Michel Dominguez. Daß ein französisches Gericht die beiden spanischen Polizisten in Zusammenhang mit der Terrorgruppe GAL (Antiterroristische Befreiungsgruppen) gebracht hatte, die von 1983 bis 1987 in Südfrankreich mehr als 30 Anschläge verübte und im Laufe der Ermittlungen einen Haftbefehl gegen José Amedo ausgestellt hatte, war für den damaligen Innenminister offensichtlich kein Grund zur Beunruhigung. Es seien zwar Untersuchungen über die beiden Polizisten eingeleitet worden, jedoch hätten sich die Anschuldigungen als unbegründet erwiesen, erklärte Barrionuevo ungerührt. Über den „Reptilienfonds“, aus dem die beiden Polizisten unter anderem eine Reise nach Portugal finanzierten, wollte sich der ehemalige Minister nicht weiter äußern. Es gebe eine scharfe Kontrolle der Ausgaben dieses Fonds, erklärte er, ohne zu erhellen, wieso sich zwei Beamte der mittleren Ebene in Fünf-Sterne-Hotels einquartieren und im Casino erhebliche Summen verspielen konnten.

Wegen Mords und Beteiligung an mehreren Anschlägen, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Sprengstoffbesitzes und Dokumentenfälschung stehen die beiden Polizisten Amedo und Dominguez seit zwei Wochen in Madrid vor Gericht. Zahlreiche Aussagen von französischen und portugiesischen Killern vor französischen und portugiesischen Gerichten sowie von ehemaligen Geliebten der beiden Polizisten belegen, daß die beiden Staatsdiener bis 1987 damit beschäftigt waren, Anschläge gegen baskische Nationalisten im französischen Baskenland zu organisieren, um die ETA in Panik zu versetzen. Bei ihren Anwerbungsgesprächen mit den Söldnern hatten die beiden Spanier immer wieder darauf hingewiesen, daß sie für das Innenministerium arbeiteten. Die spanischen Behörden haben nie ein sonderliches Interesse an einer Aufklärung der Hintergründe dieser terroristischen Organisation gezeigt. Während in Frankreich bereits gegen die GAL ermittelt wurde und die Namen der beiden Polizisten als Organisatoren fielen, hielt man sich in Spanien mit Ermittlungen zurück— schließlich hatten die Anschläge in Frankreich stattgefunden. Der Haftbefehl gegen José Amedo wurde nie ausgeführt, und noch heute loben seine Vorgesetzten vor Gericht die Effizienz des Polizisten. Der ehemalige Innenminister José Barrionuevo weigerte sich in seiner Aussage vor Gericht, die GAL als terroristische Gruppe zu bezeichnen, obwohl diese sich zu insgesamt 30 Anschlägen bekannt hat. Staatschef Felipe González gab in einer kurz und vage gefaßten schriftlichen Aussage an, er habe mit den französischen Behörden nie über die GAL gesprochen.

Ich kann mich nicht erinnern, ich weiß es nicht, ich darf darüber nichts aussagen — in diese drei Sätze lassen sich die Aussagen von Polizisten und (ehemaligen) Regierungsmitgliedern zusammenfassen, immer wenn es um konkrete Fragen geht. Als allzeit behilflich erweisen sich dabei sowohl der Staatsanwalt, der sich auf einige formale Fragen beschränkt und nicht nachhakt, als auch der Vorsitzende Richter. Für seine rechtsradikale Einstellung bekannt, unterbricht dieser Richter die Anwälte der Nebenklage immer dann, wenn es um die Erhellung der Finanzierung der GAL, um ihre Hintermänner oder um die mangelnde Strafverfolgung von darin verwickelten Personen geht. Der Richter hat es eilig, vor allem, wenn die Nebenklage Fragen stellt, und er wahrt das zweifelhafte Recht der Zeugen auf Aussageverweigerung unter Verweis auf das Dienstgeheimnis. Freitag nacht zogen die Anwälte der Nebenklage aus Protest gegen das Verhalten des Richters aus. Wenn die Verfahrensführung so weitergehe, drohten sie, würden sie ihr Mandat niederlegen. Den Richter störte das wenig. Das Verfahren sei dadurch zwar etwas verwässert, erklärte er, „aber was soll's“. Der Prozeß wird voraussichtlich bis Mitte Juli andauern.

Kommentar Seite 10