Vietnams Kommunisten auf altem Kurs mit neuer Führung

■ Generalsekretär wird vermutlich ausgewechselt/ Parteichef Nguyen Van Linh sieht keine „objektive Notwendigkeit, ein Mehrparteiensystem zu schaffen/ Wirtschaftliche Reformen sollen weitergeführt werden, aber eine politische Öffnung des Landes ist nicht in Sicht

Hanoi (afp/ips/taz) — Die Weichen bis zum Jahr 2000 wollen die Kommunisten Vietnams auf ihrem 7. Parteitag, der am Montag eröffnet wurde, stellen. Bislang scheint es, daß der Zug die alte Richtung beibehält und nur der Lokführer und sein Hilfspersonal ausgewechselt werden: Der Parteitag begann mit einem Bekenntnis zum Einparteiensystem und zum „Aufbau einer sozialistischen Demokratie“. Also wie gehabt. „Unter den gegenwärtigen Bedingungen unseres Landes“, erläuterte Generalsekretär Nguyen Van Linh den 1.176 Delegierten, die in Hanoi zusammengekommen waren, „gibt es keine objektive Notwendigkeit, einen pluralistischen politischen Mechanismus und ein Mehrparteiensystem zu schaffen.“ Immerhin gab der oberste Parteimann zu, daß es dazu seit dem Umbruch in Osteuropa in der Partei selbst auch andere Meinungen gebe.

So wird auf dem viertägigen Parteitag weniger eine politische Neuorientierung der KP erwartet als vielmehr die Verjüngung der Parteispitze. Außer dem 76jährigen Van Linh werden sich vermutlich noch weitere sechs Männer aus dem zwölfköpfigen Politbüro verabschieden, unter ihnen der 81jährige Staatspräsident Vo Chi Cong, der 69jährige Innenminister Mai Chi Tho und der 68jährige Außenminister Nguyen Co Thach. Für die Nachfolge des Parteichefs ist der Ministerpräsident Do Muoi im Gespräch.

Der für seine strikte Parteidisziplin bekannte Do Muoi hatte bei der auf dem 6. Parteitag 1986 beschlossenen wirtschaftlichen Liberalisierung eine wichtige Rolle gespielt. Damals hatte die Partei mit ihrem Slogan: „Die Wahrheit sagen, die ganze Wahrheit sagen, ohne Umschweife“ Hoffnungen auf eine nachhaltige politische Öffnung geweckt. Doch die wurden enttäuscht. Maßgebliche Intellektuelle des Landes wie etwa der Journalist Nguyen Khac Cien oder der Mathematiker Phan Dinh Dieu, die in der 'Kommunistischen Zeitschrift‘ den Marxismus-Leninismus in Frage stellten, wurden gemaßregelt. Mitte April wurde die bekannte Schriftstellerin und Regimekritikerin Duong Thu Huong verhaftet.

„Die Medien wurden auf Linie gebracht“, klagt etwa Bui Tin, der 1945 schon zur Volksarmee gestoßen war, 1975 die Kapitulation des Saigoner Regimes entgegennahm, dann Vizechefredakteur des Parteiorgans war und in diesem Frühjahr aus der Partei ausgeschlossen wurde, „der letzte Akt war die Entlassung der widerspenstigen Chefredakteurin von 'Tuoi Tre‘ [„Jugend“], Kim Hanh, die es gewagt hatte, einen Brief des späteren Führers der Befreiungsbewegung Ho Chi Minhs an seine Freundin zu veröffentlichen.“ Die mumifizierte Heiligkeit als einen Mann darzustellen, der der profanen Liebe fähig gewesen sei, sei für die Parteiführer offenbar Blasphemie übelster Sorte, spottete der alte Kämpe aus seinem Pariser Exil.

Kaum Widerstand wird es gegen eine Weiterführung der wirtschaftlichen Reformen geben. Trotz des andauernden Embargos der USA gegen Vietnam erlebten die Privatwirtschaft und ausländische Investitionen in den letzten fünf Jahren einen Aufschwung. Seit 1988 genehmigte die für die Investitionen und Zusammenarbeit zuständige staatliche Stelle 259 Lizenzen für Joint-ventures im Wert von 1,96 Milliarden US-Dollar. Tatsächlich investiert wurden bisher allerdings erst sechshundert Millionen, vor allem im Bergbau und in der Konsumgüterindustrie.

Der Parteitag wird in diesen Tagen auch Änderungen bei der Wahl der Parteigremien beschließen. Künftig soll das Zentralkomitee die Mitglieder des Politbüros bestimmen, die ihrerseits dann den Generalsekretär wählen. Beim vergangenen Parteitag hatte das ZK den Generalsekretär gewählt und der Parteitag das Politbüro.

Warum hatte der Parteitag im Dezember 1986 „Erneuerung“ — eine Art vietnamesischer Perestroika — versprochen und tatsächlich eine kurze Phase der kulturellen und politischen Liberalisierung nach sich geführt? Bui Tins Antwort: „Die politischen Geschehnisse Mitte des Jahres 1989 (Tiananmen und die Unterdrückung der Demokratiebewegung) und vom Ende 1989 (Rumänien, DDR, Berlin...) und dann von 1990 (in den übrigen sozialistischen Ländern) versetzte die Führer der vietnamesischen KP in Panik. Sie verloren ihren kühlen Kopf. Anstatt die unumgänglichen Lehren zu ziehen, schätzten sie die Lage falsch ein und zogen die falschen Lehren. Sie schrieben den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten erstens den Imperialisten und reaktionären Kräften zu, der Kirche und dem CIA, die gemeinsam den Sturz des Sozialismus betrieben; und zweitens dem Verrat der sowjetischen Führung am Marxismus-Leninismus und der Aufgabe marxistischer Prinzipien. Aus dieser Einschätzung zogen sie zwei Hauptlehren: Erstens müssen individuelle Parteimitglieder und Reaktionäre überwacht werden; zweitens wird die KPV die Prinzipien des Marxismus bis zum Ende verteidigen.“ thos/li